Montag, 29. Oktober 2007

28.10.2007 Wochenrückblick

Ich bin total tot von der Woche! Ich hatte einen Termin nach dem anderen. Montag war ich in San Lorenzo um mir ne Ziegelfabrick anzuschauen. Interessant war daran eigentlich nur der Hinweg, weil sich einer der Reifen des Busses dazu entschloss die Luft raus zu lassen. Das hat mich eigentlich nicht sonderlich verwundert, weil Reifen irgendwann meist den Geist aufgeben, wenn sie mit zu großer Geschwindigkeit über spitze Steine und Schlaglöcher gejagt werden. Der nächste Bus fuhr nicht dahin wo ich hin wollte und so bin ich noch dreimal umgestiegen bevor ich mein Ziel erreichte. Aber eine Stunde Verspätung ist hier ja kein größeres Problem. Die Rückfahrt war genauso aufregend, weil ich diesmal aus Zuschauerperspektive miterleben durfte wie bei einem anderen Bus die Bremsen versagten und er mit Hilfe eines Laternenpfostens zum Stehen kam.









Der Wachmann neben mir im Bus hat von dem ganzen Spektakel noch nicht mal was mitbekommen, aber auch ich habe mich mittlerweile an solche Vorkommnisse gewöhnt: Eigentlich recht unberührt von den Geschehnissen des Morgens erreichte ich halt auch die Redaktion etwas später.











Dienstag waren alle Mitarbeiter des Mercosur Gerichts und somit auch ich zum Essen eingeladen. All You CAN EAT Fleisch Buffet! Ich hab mir so dermaßen den Bauch voll geschlagen, dass ich nachher zur Redaktion rollen musste. Ich als alter Schwabe musste wenn es schon mal umsonst ist natürlich auch so viel wie möglich davon mitnehmen! Mittwoch bin ich mit dem Bus zwei Stunden nach Altos gefahren um dort eine deutsche Schule zu inspizieren.

























Die Deutschen Nationalfarben strahlten mir förmlich entgegen, als ich das Grundstück der Privatschule in Altos betrat. Einheitlich in schwarz rot gold gekleidet sangen mir im Hof der Schule ein paar Kinder voller Freude „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ vor, was schon etwas abstrakt wirkte mitten in einem kleinen Kuhdorf irgendwo in der Pampa von Paraguay. Diese Schule ist noch ein Überbleibsel von nach dem zweiten Weltkrieg und mittlerweile rechtfertigt nur noch die Tatsache, dass eine Stunde in der Woche Deutsch unterrichtet wird den Namen „Deutsche Schule“.

Die wenigsten der Kinder sprechen also wirklich Deutsch. Der Schule fehlt das Geld um zwei der 11 Klassenzimmer zu renovieren um sie nicht nur mit Möbeln und Gebrauchsgegenständen, sondern auch mit Leben füllen zu können. Umso beengter sitzen die 420 Schüler dann in den anderen Räumen unter kreisenden Ventilatoren, die die Hitze des Tages etwas lindern. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass die Kinder entweder vormittags 4 Stunden oder abends 4 Stunden Unterricht haben. Eine Deutsche hat es sich dort zur Aufgabe gemacht, die Schule wieder etwas auf Vordermann zu bringen und ein bisschen Disziplin und Zucht und Ordnung in die ganze Sache zu bringen. Ich fand es interessant zu sehen in wie weit sich ihre deutschen Vorstellungen mit der Mentalität der Menschen hier vereinbaren ließen. Eigentlich hatte es fast schon etwas komisches, wie diese engagierte Dame versucht die guten Eigenschaften eines Deutschen: Fleiß, Genauigkeit und Pünktlichkeit in der paraguayischen Gesellschaft zu etablieren und diesen verzweifelten Kampf noch nicht aufgegeben hat. Ihr penibel sauberes, wohl behütetes Haus wirkt wie eine kleine Insel inmitten der Pampa, die weder ein Festnetz, Internet noch einen staubfreien Haushalt zulässt! Auf der anderen Seite können Leute wie sie hier in Paraguay einiges bewirken, wenn ihnen nicht die Luft ausgeht bevor sie angefangen haben Dinge nicht mehr so ernst zu nehmen und einfach mal ordentlich zu lachen.

Bewaffnet mit einem detaillierten Stundenplan für die nächsten zwei Tage (und damit meine ich auch wirklich stündliches Programm) brach ich donnerstagmorgens um 6 in einem klimatisierten Bus der Deutschen Botschaft zusammen mit vielen anderen Reportern in Richtung Inland auf. Sinn und Zweck der Übung war es, einen Überblick zu bekommen über alle Entwicklungsprojekte an denen die GTZ oder die Deutsche Botschaft sich hier in Paraguay beteiligen oder die sie initiiert haben. Nach üblicher Manier von journalistischen Kaffeefahrten wurden ich zusammen mit den anderen Journalisten an jeder Station für kurze Zeit in die Hitze des Tages entlassen um schnell ein paar Fotos machen zu können, viel Papiermaterial in die Hände gedrückt zu bekommen und mit so vielen Leuten wie möglich in möglichst kurzer Zeit zu sprechen bevor die Fahrt dann auch schon wieder weiter ging.











Weil ich meist in Spanisch noch etwas langsam Konversation betreibe, war ich auch als einzige noch nicht wirklich fertig, als wir schon wieder weiter mussten. Um ehrlich zu sein hatte ich überhaupt nicht verstanden was ich an diesem Ort an Information hätte mitnehmen sollen, aber wie alle anderen hab ich mal alles fotografiert und anschließend versucht im Bus bessere Informationen zu erhalten. Zum Glück war der Chef der GTZ in Paraguay an der ersten Station zugestiegen und bei ihm konnte ich mir auf Deutsch die Informationen aus erster Hand und in meiner Muttersprache einholen.

Mein Informationsvorsprung gegenüber den spanisch sprechenden Journalisten war dadurch wieder gewährleistet und ich war in der ersten Runde als Karla Kolumna noch nicht aus der Bahn geworfen worden. Mancherorts gestaltete sich mein Dasein als rasende Reporterin dann aber doch etwas schwieriger, vor allem wenn die Interviewpartner nur Guaraní sprechen. Ziemlich bald kollaborierte ich deswegen mit einem jungen Journalisten, der Kommunikationswissenschaften in Asuncion studiert. Er hat mir nach jeder Station in einfacheren Worten erklärt, worüber der Bauer oder Händler gerade geredet hatte und zudem war er so lieb die für mich total fremd klingenden Namen der Beteiligten korrekt zu notieren.











Muchas gracias Samuel por tu pacienca y tu ayuda!











Auch bei der Konversation mit den anderen Reportern die sich einen Spaß daraus machten mich in Guaraní voll zu quatschen war er eine große Hilfe. Ich bin nach diesen zwei Tagen ein ganz großer Landwirtschaftsspezialist geworden und wenn ich grad nichts anderes zu tun hätte, könnte ich mir morgen ein Stück Boden kaufen und dort korrekte Direktsaat mit Gründünger betreiben, ohne das mein Boden seine Nährstoffe verliert und deswegen weniger Erträge liefert.































Das ist hier in Paraguay eine ganz schöne Herausforderung muss ich dazu sagen, weil das Feld das ganze Jahr über bestellt wird und zudem die Sonne hier ordentlich auf die Prärie knallt! Mein Opa Rudolf hätte wahrscheinlich die größte Freude an all den Dingen, die ich gelernt habe in nur zwei Tagen!









Zur Beruhigung eines jeden Deutschen Steuerzahlers kann ich nur sagen, dass die GTZ hier hervorragende Arbeit leistet und die Arbeit nicht nur bildlich gesprochen auf fruchtbaren Boden fällt.

Die Hilfsmaßnahmen sind gut durchdacht und angepasst auf paraguayische Bedürfnisse und den Entwicklungsstand und den Bauern wird nichts von oben vorgegeben, sondern jeder Produzent arbeitet mit an den Wertschöpfungsketten die hier aufgebaut werden und vom Rohprodukt bis zum Endproduzent gut durchdacht werden.


















Bei einigen Mitarbeitern der GTZ ließ sich auch erkennen, dass das Land auch schon einige Spuren und Eindrücke bei ihnen hinterlassen hat. Keiner der Deutschen rückte ohne sein Terrere Gefäß und das dazugehörige Becherchen (Guampe), gefüllt mit Kräutern aus. Aus diesem wird dann reihum eiskaltes Wasser mit einem silbernen Strohhalm herausgeschlürft. Meine Mutter hätte ihre wahre Freude an dieser Tradition, weil wirklich jeder da seinen Rüssel reinhängt.









Unseren Zeitplan konnten wir natürlich nicht wirklich einhalten, weil unserem Vorhaben irgendwann die paraguayischen Freundlichkeit dazwischen kam. Vor lauter Freude, dass sich mal ein paar Leute aus der Stadt in die Pampa verirren, hatten die Leute mancherorts große Festlichkeiten organisiert. Aus riesigen Boxen schepperte uns zur Feier der Einweihung einer neuen Apotheke schon die lateinamerikanische Stimmungsmusik entgegen und mit vielen Küssen links und rechts wurden sowohl die Leute von der GTZ und Botschaft als auch die Journalisten begrüßt.

Anschließend folgten lange Dankesreden, bei dem sich einfach nur jeder bei jedem bedankte, ohne wirklich etwas auszusagen und eine Sicherstellung des wachsenden Schwimmrings um die Hüften durch paraguayische Köstlichkeiten. Nach über 12 Stunden Programm brauchte ich erst mal ne Siesta bevor um 21 Uhr abends dann ordentlich auf Kosten der Botschaft diniert werden konnte. An dieser Stelle sollte ich vielleicht zugeben, dass sich doch auch schon das ein oder andere Pfund auf meine Hüften gesellt hat. Schuld daran ist das viele Fleisch, dass ich jeden Tag esse. Es vergeht wirklich kein Tag an dem mir nicht irgendwo eine halbe Sau im Wecken oder irgendein Teil aus der Kuh angedreht wird. In diesem Land Vegetarier sein zu wollen ist glaube ich wirklich eine sehr große Herausforderung. Die Hilfsprojekte der Deutschen Botschaft sind im Gegensatz zu den detailliert durchdachten ganzen Programmen, die die GTZ auf die Beine stellt, eher ergänzend gedacht und verbessern punktuell an gewissen Stellen die Situation der Ärmsten im Lande. Bei manchen Hilfeleistungen hatte man das Gefühl, dass sie wie ein Tropfen auf dem heißen Stein kaum eine Wirkung zeigen. Vor allem wenn die Förderung eines Aspekts in einem Umfeld absoluten Armut diesen absolut grotesk erscheinen lassen. In einem Krankenhaus zum Beispiel wurde die Betreuung von behinderten Kleinkindern gefördert. Der für diese mit allem nötigen ausgestatteten Raum befand sich inmitten eines sehr armen Krankenhauses, das eigentlich sonst nur aus leeren Räumen besteht ohne Apparate, Medikamenten aber dafür reichlich Schimmel an den Wänden.









Besonders rührend war die Übergabe eines Spielplatzes an einen Kinderhort, in dem etwa 40 von ihren Eltern verlassene Kinder ein neues Zuhause gefunden haben. Eine einzelne ältere Dame hat es sich dort zur Aufgabe gemacht jeden Tag aufs Neue Spendengelder für die Kinder und sich zu sammeln, damit diese weiterhin zur Schule gehen, Essen, Trinken und Schlafen können. Wir waren alle überrascht, mit wie viel Einsatz und wie viel Geschick diese krebskranke Frau für die Kinder eine kleine heile Welt aus dem Boden gestampft hat.











Nach diesem zweiten sehr ereignisreichen Tag habe ich tatsächlich abends noch mal die Energie aufgebracht mit meinem Mitbewohner und einem anderen Deutschen zu einem Rockkonzert zu fahren. Wie immer stellte sich morgens um vier dann die Frage, wie man denn wieder zurück nach Hause kommt, was nicht immer einfach ist in Asuncion. Thomas und ich sind dann kurzerhand hinten bei einem Laster aufgesprungen und sind unter offenem Himmel über die Landstraße nach Hause geholpert. Wäre da nicht das letzte Stück Weg zu Laufen gewesen, wäre es echt ein angenehmer Heimweg gewesen in der sehr lauwarmen Luft der Nacht. Samstagnacht war ich ein weiteres Mal mit dem lieben Juan Manuel aus. Im ordentlich gebügelten weißen Hemd stand er pünktlich vor meiner Tür. Er hat drauf bestanden mich daheim abzuholen (mit dem Bus wohlgemerkt), weil ich - „seine Prinzessin“ - unmöglich alleine Bus fahren könnte. Er wollte mir nicht verraten was den das Ziel unseres Ausfluges war und überraschte mich kurze Zeit später mit einem kleinen Auftritt seinerseits in einer Karaokebar. Mit einer gesanglich wirklich reifen Leistung gab er gleich zwei romantische lateinamerikanische Lieder zum Besten, während er mir mit seinen Bambiaugen zuzwinkerte. Allerdings fand ich dann doch dass er etwas überengagiert ist, als mir mein eigenes Antlitz, auf seinem Handy als Bildschirmschoner verwendet, entgegen blickte! Weil es sonst eigentlich eher ich bin, die andere Leute überfährt, fand ich es ziemlich amüsant aus Perspektive des Überfahrenen mal die Situation zu betrachten! Auch heute habe ich mich den ganzen Tag an den vielen kleinen Gedichten erfreuen können, die mir der junge Mann über das Handy ohne Unterlass zukommen lässt. Klassischer Fall von weit übers Ziel hinaus geschossen. Ich versuche schon verzweifelt, bei seiner viel zu schnell in Fahrt geratenen Euphorie die Bremse zu betätigen, aber wahrscheinlich bleibt mir nur der Notausstieg!

Pünktlich zum Mittagessen wurde ich von einem Mitglied des Lionsclubs nach Aregua abgeholt, wo die Übergabe eines bayrischen alten Feuerwehrfahrzeuges an die Feuerwehr vor Ort ordentlich gefeiert werden sollte.


















Mitglieder der Presse werden hier wirklich immer besonders liebevoll hofiert und so wurde mir heute sogar über das Mikrophon für mein Dasein gedankt. Anschließend hatte ich die Ehre zur ersten Polka, die laut aus den überdimensionalen Boxen schepperte, mit dem Hauptmann zu Tanzen. Aus den üppigen Fleischbrocken, die auf dem riesigen Grill lagen hab ich mir mal wieder eines der größten Stücke rausgesucht, bevor ich mir anschließend den zweiten Nachtisch habe aufschwatzen lassen. Meine einzige sportliche Leistung heute bestand darin, die glücklichen Feuerwehrmänner, die erst mal den Umgang mit dem Schlauch übten und sich von oben bis unten nass spritzten und ordentlich im Dreck wälzten, zu fotografieren.
















Zudem habe ich noch etwas Sightseeing betreiben können, weil meine persönliche Chauffeurin für den Tag sich anbot mir noch etwas die Stadt und die alte Eisenbahn zu zeigen. Nachdem ich dann eine Esseneinladung für die nächste Woche erhalten hatte, konnte ich dann den dezenten 42 Grad entkommen indem ich mich in meine klimatisierte Wohnung zurückzog.

20.10.2007

Diese Woche war mehr oder weniger eine weitere Woche der Orientierung. Ich habe beschlossen mir einen Roller zuzulegen. Zusammen mit Thomas, der ein überaus geschäftsmäßiges Verhandlungsgeschick besitzt, aber leider nur auf Deutsch, fuhren wir zu einem Rollerhändler. Wie üblich mit Händen und Füßen versuchten wir einen guten Deal für mich zu finden. Nachdem ich ein besonders schönes Modell für mich ausgesucht hatte verabschiedeten wir uns und ich hinterließ meine Handynummer. Ziemlich blöder Fehler von mir eigentlich, denn nicht nur, dass diese für Werbezwecke missbraucht wurde, nein auch an andere Kunden, die mich im Laden gesehen hatten und kennen lernen wollten, wurde sie herausgegeben. Schon bald erfreute ich mich zahlreicher sms eines übermotivierten Feuerwehrmannes, der mich inständig bat mein Freund werden zu dürfen! Nicht zu antworten ist nicht unbedingt eine Taktik, die in diesem Land zum Erfolg führt. Beziehungsweise nimmt die Frequenz an sms nur sehr langsam ab, wenn man nicht antwortet. Überhaupt stehen Paraguayer sehr auf sms. Auch von meinen männlichen Arbeitskollegen werde ich überschüttet mit überaus uninformativen sms, die einzig und allein der Fortführung der Kommunikation dienen. Immerhin kreativ sind sie, denn eine ausbleibende Beantwortung führt zu einem großen Variationsspektrum des allseits beliebten „Wie geht’s?“ auf Spanisch. Mir ist die Woche über außerdem aufgefallen, dass die Paraguayer und natürlich auch die –innen ganz schöne Weicheier sind. Ich kann es bald nicht mehr hören so oft wie mir am Tag gesagt wird, dass dies und jenes und überhaupt alles gefährlich ist. Wenn ich mich nach den vielen Ratschlägen richten würde müsste ich mich wohl bei mir im Haus verbarrikadieren und hoffen, dass bald das halbe Jahr rum ist und ich nach Hause darf. Verglichen mit ein paar Gegenden in Rio erscheint mir Paraguay jedoch eigentlich recht ungefährlich muss ich sagen. Es wäre schon grob leichtsinnig, wenn ich mit meiner funkelnden Digitalkamera und meinem blonden Haar alleine durch ein Ghetto laufen würde, aber so lange ich das unterlasse und gewisse Gegenden bei Nacht vermeide werde ich wohl weniger Probleme haben als in Rio zum Beispiel. Ein besonders zartes paraguayisches Pflänzchen, das ich diese Woche kennen gelernt habe heißt Patricia. Sie bewegt sich eigentlich nur von der Wohnung ihrer Eltern zu „Shopping Del Sol“, einem bewachten Einkaufszentrum der obersten Luxusklasse, um anschließend den Abend im Club Centaurion ausklingen zu lassen. Dorthin hat sie Filzbeutel-Thomas und mich dann auch zum Abendessen eingeladen. Dieser Club ist mehr als ein Fitnessclub. Es ist eine riesige durch eine Mauer vom Rest der Welt abgeschirmte Luxusinsel, auf der man sowohl alle möglichen Sportarten ausüben, sich die Haare schneiden lassen, Essen oder in die Disco gehen kann. Sprich eigentlich alles, was man draußen in der gefährlichen Welt auch unternehmen kann nur mit dem Unterschied, dass allen denen das nötige Kleingeld fehlt der Zugang verwehrt wird. Mir stand eigentlich die komplette Zeit, die wir auf diesem künstlichen Gelände von außergewöhnlicher Schönheit verbracht haben, der Mund offen. Aus dem Kontext der Worte, die an diesem Abend aus der hübschen Paraguayerin kamen konnte eigentlich auch viel über die paraguayischen Frauen geschlossen werden. Sie erachten sich selbst nicht als so wichtig und bedeutend wie die Männer und haben sich mehr oder weniger daran gewöhnt, dass ihre Männer sich deswegen auch nicht nur mit einer Frau zufrieden geben können sondern mindestens noch 2 weitere benötigen. Ich hoffe nur, dass ich noch andere Paraguayerinnen kennen lernen werde, die mein etwas in Schieflage geratenes Bild von den Frauen hier wieder gerade rücken. Besonders gelungen war diese Woche der Freitagabend.








Nach deutscher Gepflogenheit haben sich die Deutschen untereinander organisiert und zu sechst begannen wir den Abend recht früh mit einem Glas Wein.

















In der wunderbaren Absicht deswegen auch früher ins Bettchen gehen zu können. Leider ist in Asuncion selten etwas vor 1 Uhr los. Gegen zwei wurden wir dann von Paraguayerinnen in einen Club etwas außerhalb geschleppt.

Ich und eine andere Deutsche konnten uns aufgrund unserer blonden Haare dort kaum noch helfen. Mir ist fast komplett die Lust am Kennenlernen von Einheimischen vergangen, nachdem ich mich fühlte wie ein Kadaver, der von Geiern umkreist wird. Zusätzlich erschwerte die laute Musik, die an die Musik in der Nähe von Autoscoutern auf Jahrmärkten erinnerte, dass ich richtig verstehen konnte was ich gefragt wurde. Die Situation empfand ich alles in allem recht frustrierend. Vor allem die Tatsache, dass ich ja Paraguayer kennen lernen möchte, aber sich das aufgrund von Sprachschwierigkeiten und kulturellen Unterschieden wohl doch etwas schwierig gestaltet. Ein junger Mann hat es jedoch geschafft sich herauszukristallisieren, der sich die Mühe gab mein spanisches Gebrabbel zu verstehen und in so einfachen Worten zu reden, dass selbst ich nicht mehr ständig auf dem Schlauch stand. Wir waren immer noch am Reden, als dann irgendwann die Sonne aufging. Samstag habe ich deswegen eigentlich komplett verschlafen um abends dann wenigstens mein Interview mit einem Chirurgenteam aus Deutschland durchführen zu können. Es ist schon interessant was für Leute man hier in Paraguay trifft. Es sind entweder besonders miese Leute, die Paraguay als Billigland und Steueroase betrachten und den größtmöglichen Profit aus dieser Situation ziehen wollen oder Menschen, die genau dem Gegenteil entsprechen und nach einem anderen Lebensmotto leben:

„Wenn jeder, entsprechend seiner Fähigkeiten, seinen Teil zum Funktionieren der Gesellschaft beiträgt, können großartige Dinge vollbracht werden. Manchmal kann sogar die Ungerechtigkeit der Natur ausgeglichen werden. Wie so eine erfolgreiche Hilfeleistung aussehen kann, zeigte eine überaus couragierte Gruppe zusammengewürfelt aus Fachärzten und Assistenten aus Deutschland und Österreich. Sie haben finanziell schwachen Menschen die Möglichkeit gegeben, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Fall ist dies nicht nur bildlich gesprochen, sondern darüber hinaus durchaus auch wörtlich gemeint. Die auf Rekonstruktionsoperationen an Händen, Gesicht, Beinen und Sehnen spezialisierten Chirurgen Prof. Dr. Wolfgang Stock von der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Prof. Dr. Heribert Hussl von der Universitätsklinik Innsbruck operierten Ende Oktober kostenlos 70 Paraguayer, denen die finanziellen Möglichkeiten für eine Operation fehlten. Darunter viele Einzelschicksäle, denen aufgrund des Einsatzes der Ärzte das Leben wieder ganz neue Möglichkeiten bietet. Zum Beispiel kann jetzt ein kleiner Junge aus Santa Rita seine durch Brandwunden komplett funktionsunfähig gewordenen Hände wieder normal bewegen und einsetzen. Die Spezialisten aus Europa werden für ihren Einsatz nicht bezahlt, sondern nutzten ihre Urlaubszeit, um durch ihre Hilfe ihren Beitrag an der Gesellschaft leisten zu können. Abgesehen davon genießen sie es in Paraguay den hippokratischen Eid, bei dem die Versorgung des Patienten an erster Stelle steht, fernab von bürokratischer Überregulierung frei ausüben zu können.“ (Aktuelle Rundschau Paraguay, Rafaela R.)

Am Sonntag ließ ich die Woche in Gesellschaft von Juan Manuel ausklingen.

Ein 25 jähriger Paraguayer, der es sich trotz seiner etwas schwachen Finanzlage zur Aufgabe gemacht hatte, einen unvergesslichen Abend mit mir zu verbringen. Er ist eigentlich der erste, mit dem ich mich richtig gut auf Spanisch unterhalten habe. Das ist zu einem großen Teil aber auch ihm zu Gute zu halten, weil er sich doch einige Mühe geben musste, um die falsch zusammen gesetzten Sätze so für sich zu sortieren, dass sie wieder Sinn machen. Immerhin haben wir so mehrere Stunden zusammen verbracht ohne, dass einem von uns beiden langweilig gewesen wäre. Es tat mir ein bisschen Leid, dass er für seine Verhältnisse wahrscheinlich recht viel für mich ausgegeben hat, weil die Männer hier ja schließlich drauf bestehen alles zu bezahlen und ich mich irgendwann bei dem Gedanken ertappte, dass mir definitiv eine nettere etwas teurere Bar einfallen würde, die das Wort Gemütlichkeit etwas mehr verinnerlich hat. Mich störte es dann auch etwas, dass ich kein Taxi alleine nach Hause nehmen konnte, weil er darauf bestand, mich in dem Taxi nach Hause zu begleiten. Die Begründung war die übliche: weil es gefährlich für ein Mädchen ist alleine IRGENDETWAS zu machen! Mit meinem deutschen Gefühl von Unabhängigkeit lässt sich das alles nur schwer vereinbaren und ich bin sehr glücklich, wenn ich endlich meinen Roller habe, mit dem ich dann die ganze Diskussion umgehen kann. Er ist anschließend nahezu zwei Stunden nach Hause gewandert, weil um die Uhrzeit keine Busse mehr fahren!