Freitag, 16. November 2007

Wochenrückblick 11. November

Ich habe gestern total lachen müssen, als mir ein Paraguayer vorgeworfen hat, dass es super schwer wäre sich mit mir zu verabreden, weil ich immer so beschäftigt sei. Nach etwas mehr als einem Monat in meiner neuen Umgebung habe ich schon wieder jede Menge Aktivitäten angehäuft und führe ein genauso stressiges Leben, wie in Deutschland, dem ich ja eigentlich entkommen wollte. Der einzige Unterschied ist: Es ist positiver Stress. Ich habe bei meinen Aktivitäten hier nie das Gefühl, dass ich etwas machen muss, sondern immer nur, dass ich etwas machen darf.




















Übel zugesetzt hat mir letzte Woche mein neues Hobby: Das Reiten! Mein Reitlehrer wollte wohl mal sehen, wie lange ich es auf dem Tier aushalte! Hat mich irgendwie daran erinnert wie meine liebe Mutter mich mit 7 Jahren auch mal das Reiten ausprobieren lassen hat und behauptet hat, es sei wichtig, dass man beim ersten mal so lange wie möglich auf dem Pferd bleibt. Als das völlig entnervte Tier mich dann nach über 2 Stunden im Kreis laufen abgeworfen hat, war damals mein Bedürfnis nach weiteren Reiterlebnissen erst mal nicht mehr vorhanden! Vielleicht auch gerade wegen dieser schmerzhaften Erfahrung, habe ich es hier in Paraguay dann als sportliche Herausforderung gesehen und alles mitgemacht, was mein Lehrer vorgeschlagen hat. Somit bin ich beim zweiten Mal auch schon über einen wirklich sehr niedrigen Zaun gesprungen... aber immerhin! Der Höllenmuskelkater am nächsten Tag hat mich dann noch mal sehr stark an mein Kindheitserlebnis erinnert, aber ich bin zwei Tage später diesmal noch mal auf das Pferd gestiegen! Zwar immer noch sehr kraftlos und mit schmerzverzerrtem Gesicht, aber ich saß in dem braunen Ledersattel. Mein Lehrer hat sich, genauso wie meine Mutter damals, total über mich amüsiert! Auf der Arbeit gibt es eigentlich nicht viel Neues. Ich bin dazu übergegangen die Leute im Mercosurgericht mit noch mehr von meinen Problemen und Angelegenheiten zu beschäftigen, damit sie nicht wieder so furchtbar langweilen. Diesbezüglich bin ich auch super kreativ und habe jeden Tag neue Anfragen. Meine Spanischlehrerin ist auch sehr zufrieden mit mir, seitdem ich die Aufsätze immer zusammen mit den Leuten aus meinem Büro schreibe hat sich mein Spanisch um einiges verbessert. Außerdem bekomme ich mittlerweile mit, wenn sie auf Spanisch ihre kleinen Witzchen reißen – darauf bin ich eigentlich besonders stolz! Unter der Woche war ich eigentlich fast jeden Tag aus. Voller Stolz kann ich hier jedoch behaupten, dass ich kein Lotterleben führe, sondern die Treffen mit Einheimischen absolut notwendig sind um meine Spanischkenntnisse weiter auszuweiten. Ich hatte am Mittwoch sage und schreibe 5 Stunden Konversation am Stück! Lag danach grinsend im Bett und hab mich total gefreut, dass wir nicht nur über absolut Banales geredet haben, sondern wirklich ein gutes Gespräch geführt haben. Am Wochenende war ich mit Daniel (alter Bekannter von mir aus Ravensburg) und seiner Amerikanischen Freundin an den Iguazu Wasserfällen im Dreiländereck (Brasilien, Argentinien, Paraguay) verabredet. Der Weg zum Busterminal gestaltete sich etwas schwierig, da der Himmel alle Schleusen geöffnet hatte und zu dieser später Uhrzeit nur noch sehr wenige Busse in den Fluten der Straßen schwammen. Ist auch gar nicht so leicht trockenen Fußes in den richtigen Bus zu steigen, selbst wenn man sich in Begleitung eines charmanten jungen Mannes befindet, der es sich zur Aufgabe gemacht hat einen sicher durch das Wasser-Verkehrschaos zu bringen. Wir beobachteten unzählige Autos und auch Motorräder, die manchmal mehr oder weniger erfolgreich gegen die Fluten ankämpften und manchmal auch etwas schadenfroh Passanten, die mit hochgekrämpelten Hosen durch die Wassermassen stiefelten. Mit nassen Füßen stieg schließlich auch ich in meinen Reisebus. Etwas schläfrig, weil ich nicht wirklich gut im Bus geschlafen hatte, kam ich morgens um sechs in Ciudad del Este, einer Stadt in der Nähe der brasilianischen Grenze, an. Der lokale Bus ist dann, ohne an den Grenzübergängen auch nur etwas die Geschwindigkeit zu drosseln, mal kurz durch Brasilien gefahren um dann erst wieder an der Argentinischen Grenze zu halten. Irgendwie hatte ich schon ein bisschen das Gefühl, dass das nicht besonders gut war, weil bei Ausländern sehr viel Wert auf die Einreise- und Ausreisestempel gelegt wird, aber an der Argentinischen Seite wurde es erst mal nicht kommentiert. Schon knappe drei Stunden später bezogen das Pärchen und ich unsere schicke leicht schimmelige Unterkunft in einer Jugendherberge für die nächsten zwei Nächte!

















Wir konnten es kaum erwarten am nächsten Tag die Wasserfälle zu sehen und waren dann etwas schockiert über die Tatsache, dass unzählige andere Touristen den gleichen Entschluss gefasst hatten.









Mehr oder weniger in Reih und Glied mit Rentnergruppen, Schülern und jeder Menge Ausländer wanderten wir die sauber organisierten Wege des Parks ab. Man muss jedoch sagen, dass die Wasserfälle trotz allem sehr beeindruckend sind, auch wenn man sich wirklich fast prügeln muss, um ein gutes Bild zu ergattern. Da wir ja mit kleinem Budget unterwegs waren wurde im Park genauso wie an der Unterkunft etwas gespart. Etwas wehmütig schauten wir den komplett nassen Touristen nach, die sich mit einem Boot direkt in die Wasserfälle hatten fahren lassen.












Am ersten Tag entlockte uns noch wirklich jeder einzelne neue Wasserfall und jede neue Perspektive auf das tosende Wasser ein fröhliches Jauchzen! Am zweiten Tag, als wir zur brasilianischen Seite gewechselt haben war unsere Begeisterung dann schon nicht mehr ganz so groß. Ist schon witzig, wie schnell man sich selbst an einen so spektakulären Anblick gewöhnen kann.









Der Park auf der Brasilianischen Seite hatte von der Organisation des Massentourismus her, sehr viel gemeinsam mit Walt Disney World und stieß bei uns eher auf Unmut als auf Begeisterung. Vor allem, als wir in einer langen Schlange standen, um mit den klimatisierten Bussen, in denen künstliche Urwaldgeräusche die Touristen unterhalten, wieder zurück zum Ausgangspunkt gefahren zu werden, war unsere Geduld etwas am Ende.



















Diese Überorganisation und der Massentourismus haben mir deutlich bewusst gemacht, warum ich absolut glücklich bin in Paraguay zu sein, schon allein um mich nicht ständig mit tausend andere Backpackern um die günstigsten Angebote schlagen zu müssen. Deswegen breitete sich bei mir auch ein leichtes Gefühl von daheim sein aus, als ich nach einem reichlichen Abendessen mit den beiden Südamerikabummlern wieder auf paraguayischem Boden war. Der Bus fuhr zu so später Stunde leider nicht mehr über die Brücke nach Paraguay, deswegen stieg ich kurzerhand auf ein Motorradtaxi, dass mich im Handumdrehen auf die andere Seite brachte. Bei der Einreise wurde ich natürlich erst mal ins Büro gebeten, weil mir der Ausreisestempel aus Paraguay fehlte und ich auch keinen Ausreisestempel von Brasilien hatte. Zuerst wollten die Paraguayer, dass ich für diesen kleinen Fauxpas eine Strafgebühr zahle. Nachdem ich jedoch erwähnte, wie gerne ich in Paraguay lebe und das ich für die Presse arbeite, war plötzlich dann doch keine Bezahlung mehr nötig. Mir wurden sogar Tipps gegeben, wie ich um Kosten für ein Visum herum komme. Zum Glück wartete das Motorradtaxi noch vor der Tür um mit mir noch mal die einzelnen Stationen abzufahren, an denen weitere Stempel eingeholt werden mussten. Nach 6 Stunden Busfahrt war ich wieder zurück in meiner neuen Heimatstadt.