Nach deutscher Gepflogenheit haben sich die Deutschen untereinander organisiert und zu sechst begannen wir den Abend recht früh mit einem Glas Wein.
In der wunderbaren Absicht deswegen auch früher ins Bettchen gehen zu können. Leider ist in Asuncion selten etwas vor 1 Uhr los. Gegen zwei wurden wir dann von Paraguayerinnen in einen Club etwas außerhalb geschleppt.
Ich und eine andere Deutsche konnten uns aufgrund unserer blonden Haare dort kaum noch helfen. Mir ist fast komplett die Lust am Kennenlernen von Einheimischen vergangen, nachdem ich mich fühlte wie ein Kadaver, der von Geiern umkreist wird. Zusätzlich erschwerte die laute Musik, die an die Musik in der Nähe von Autoscoutern auf Jahrmärkten erinnerte, dass ich richtig verstehen konnte was ich gefragt wurde. Die Situation empfand ich alles in allem recht frustrierend. Vor allem die Tatsache, dass ich ja Paraguayer kennen lernen möchte, aber sich das aufgrund von Sprachschwierigkeiten und kulturellen Unterschieden wohl doch etwas schwierig gestaltet. Ein junger Mann hat es jedoch geschafft sich herauszukristallisieren, der sich die Mühe gab mein spanisches Gebrabbel zu verstehen und in so einfachen Worten zu reden, dass selbst ich nicht mehr ständig auf dem Schlauch stand. Wir waren immer noch am Reden, als dann irgendwann die Sonne aufging. Samstag habe ich deswegen eigentlich komplett verschlafen um abends dann wenigstens mein Interview mit einem Chirurgenteam aus Deutschland durchführen zu können. Es ist schon interessant was für Leute man hier in Paraguay trifft. Es sind entweder besonders miese Leute, die Paraguay als Billigland und Steueroase betrachten und den größtmöglichen Profit aus dieser Situation ziehen wollen oder Menschen, die genau dem Gegenteil entsprechen und nach einem anderen Lebensmotto leben:
„Wenn jeder, entsprechend seiner Fähigkeiten, seinen Teil zum Funktionieren der Gesellschaft beiträgt, können großartige Dinge vollbracht werden. Manchmal kann sogar die Ungerechtigkeit der Natur ausgeglichen werden. Wie so eine erfolgreiche Hilfeleistung aussehen kann, zeigte eine überaus couragierte Gruppe zusammengewürfelt aus Fachärzten und Assistenten aus Deutschland und Österreich. Sie haben finanziell schwachen Menschen die Möglichkeit gegeben, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Fall ist dies nicht nur bildlich gesprochen, sondern darüber hinaus durchaus auch wörtlich gemeint. Die auf Rekonstruktionsoperationen an Händen, Gesicht, Beinen und Sehnen spezialisierten Chirurgen Prof. Dr. Wolfgang Stock von der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Prof. Dr. Heribert Hussl von der Universitätsklinik Innsbruck operierten Ende Oktober kostenlos 70 Paraguayer, denen die finanziellen Möglichkeiten für eine Operation fehlten. Darunter viele Einzelschicksäle, denen aufgrund des Einsatzes der Ärzte das Leben wieder ganz neue Möglichkeiten bietet. Zum Beispiel kann jetzt ein kleiner Junge aus Santa Rita seine durch Brandwunden komplett funktionsunfähig gewordenen Hände wieder normal bewegen und einsetzen. Die Spezialisten aus Europa werden für ihren Einsatz nicht bezahlt, sondern nutzten ihre Urlaubszeit, um durch ihre Hilfe ihren Beitrag an der Gesellschaft leisten zu können. Abgesehen davon genießen sie es in Paraguay den hippokratischen Eid, bei dem die Versorgung des Patienten an erster Stelle steht, fernab von bürokratischer Überregulierung frei ausüben zu können.“ (Aktuelle Rundschau Paraguay, Rafaela R.)
Am Sonntag ließ ich die Woche in Gesellschaft von Juan Manuel ausklingen.
Ein 25 jähriger Paraguayer, der es sich trotz seiner etwas schwachen Finanzlage zur Aufgabe gemacht hatte, einen unvergesslichen Abend mit mir zu verbringen. Er ist eigentlich der erste, mit dem ich mich richtig gut auf Spanisch unterhalten habe. Das ist zu einem großen Teil aber auch ihm zu Gute zu halten, weil er sich doch einige Mühe geben musste, um die falsch zusammen gesetzten Sätze so für sich zu sortieren, dass sie wieder Sinn machen. Immerhin haben wir so mehrere Stunden zusammen verbracht ohne, dass einem von uns beiden langweilig gewesen wäre. Es tat mir ein bisschen Leid, dass er für seine Verhältnisse wahrscheinlich recht viel für mich ausgegeben hat, weil die Männer hier ja schließlich drauf bestehen alles zu bezahlen und ich mich irgendwann bei dem Gedanken ertappte, dass mir definitiv eine nettere etwas teurere Bar einfallen würde, die das Wort Gemütlichkeit etwas mehr verinnerlich hat. Mich störte es dann auch etwas, dass ich kein Taxi alleine nach Hause nehmen konnte, weil er darauf bestand, mich in dem Taxi nach Hause zu begleiten. Die Begründung war die übliche: weil es gefährlich für ein Mädchen ist alleine IRGENDETWAS zu machen! Mit meinem deutschen Gefühl von Unabhängigkeit lässt sich das alles nur schwer vereinbaren und ich bin sehr glücklich, wenn ich endlich meinen Roller habe, mit dem ich dann die ganze Diskussion umgehen kann. Er ist anschließend nahezu zwei Stunden nach Hause gewandert, weil um die Uhrzeit keine Busse mehr fahren!
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