Montag, 29. Oktober 2007

28.10.2007 Wochenrückblick

Ich bin total tot von der Woche! Ich hatte einen Termin nach dem anderen. Montag war ich in San Lorenzo um mir ne Ziegelfabrick anzuschauen. Interessant war daran eigentlich nur der Hinweg, weil sich einer der Reifen des Busses dazu entschloss die Luft raus zu lassen. Das hat mich eigentlich nicht sonderlich verwundert, weil Reifen irgendwann meist den Geist aufgeben, wenn sie mit zu großer Geschwindigkeit über spitze Steine und Schlaglöcher gejagt werden. Der nächste Bus fuhr nicht dahin wo ich hin wollte und so bin ich noch dreimal umgestiegen bevor ich mein Ziel erreichte. Aber eine Stunde Verspätung ist hier ja kein größeres Problem. Die Rückfahrt war genauso aufregend, weil ich diesmal aus Zuschauerperspektive miterleben durfte wie bei einem anderen Bus die Bremsen versagten und er mit Hilfe eines Laternenpfostens zum Stehen kam.









Der Wachmann neben mir im Bus hat von dem ganzen Spektakel noch nicht mal was mitbekommen, aber auch ich habe mich mittlerweile an solche Vorkommnisse gewöhnt: Eigentlich recht unberührt von den Geschehnissen des Morgens erreichte ich halt auch die Redaktion etwas später.











Dienstag waren alle Mitarbeiter des Mercosur Gerichts und somit auch ich zum Essen eingeladen. All You CAN EAT Fleisch Buffet! Ich hab mir so dermaßen den Bauch voll geschlagen, dass ich nachher zur Redaktion rollen musste. Ich als alter Schwabe musste wenn es schon mal umsonst ist natürlich auch so viel wie möglich davon mitnehmen! Mittwoch bin ich mit dem Bus zwei Stunden nach Altos gefahren um dort eine deutsche Schule zu inspizieren.

























Die Deutschen Nationalfarben strahlten mir förmlich entgegen, als ich das Grundstück der Privatschule in Altos betrat. Einheitlich in schwarz rot gold gekleidet sangen mir im Hof der Schule ein paar Kinder voller Freude „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ vor, was schon etwas abstrakt wirkte mitten in einem kleinen Kuhdorf irgendwo in der Pampa von Paraguay. Diese Schule ist noch ein Überbleibsel von nach dem zweiten Weltkrieg und mittlerweile rechtfertigt nur noch die Tatsache, dass eine Stunde in der Woche Deutsch unterrichtet wird den Namen „Deutsche Schule“.

Die wenigsten der Kinder sprechen also wirklich Deutsch. Der Schule fehlt das Geld um zwei der 11 Klassenzimmer zu renovieren um sie nicht nur mit Möbeln und Gebrauchsgegenständen, sondern auch mit Leben füllen zu können. Umso beengter sitzen die 420 Schüler dann in den anderen Räumen unter kreisenden Ventilatoren, die die Hitze des Tages etwas lindern. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass die Kinder entweder vormittags 4 Stunden oder abends 4 Stunden Unterricht haben. Eine Deutsche hat es sich dort zur Aufgabe gemacht, die Schule wieder etwas auf Vordermann zu bringen und ein bisschen Disziplin und Zucht und Ordnung in die ganze Sache zu bringen. Ich fand es interessant zu sehen in wie weit sich ihre deutschen Vorstellungen mit der Mentalität der Menschen hier vereinbaren ließen. Eigentlich hatte es fast schon etwas komisches, wie diese engagierte Dame versucht die guten Eigenschaften eines Deutschen: Fleiß, Genauigkeit und Pünktlichkeit in der paraguayischen Gesellschaft zu etablieren und diesen verzweifelten Kampf noch nicht aufgegeben hat. Ihr penibel sauberes, wohl behütetes Haus wirkt wie eine kleine Insel inmitten der Pampa, die weder ein Festnetz, Internet noch einen staubfreien Haushalt zulässt! Auf der anderen Seite können Leute wie sie hier in Paraguay einiges bewirken, wenn ihnen nicht die Luft ausgeht bevor sie angefangen haben Dinge nicht mehr so ernst zu nehmen und einfach mal ordentlich zu lachen.

Bewaffnet mit einem detaillierten Stundenplan für die nächsten zwei Tage (und damit meine ich auch wirklich stündliches Programm) brach ich donnerstagmorgens um 6 in einem klimatisierten Bus der Deutschen Botschaft zusammen mit vielen anderen Reportern in Richtung Inland auf. Sinn und Zweck der Übung war es, einen Überblick zu bekommen über alle Entwicklungsprojekte an denen die GTZ oder die Deutsche Botschaft sich hier in Paraguay beteiligen oder die sie initiiert haben. Nach üblicher Manier von journalistischen Kaffeefahrten wurden ich zusammen mit den anderen Journalisten an jeder Station für kurze Zeit in die Hitze des Tages entlassen um schnell ein paar Fotos machen zu können, viel Papiermaterial in die Hände gedrückt zu bekommen und mit so vielen Leuten wie möglich in möglichst kurzer Zeit zu sprechen bevor die Fahrt dann auch schon wieder weiter ging.











Weil ich meist in Spanisch noch etwas langsam Konversation betreibe, war ich auch als einzige noch nicht wirklich fertig, als wir schon wieder weiter mussten. Um ehrlich zu sein hatte ich überhaupt nicht verstanden was ich an diesem Ort an Information hätte mitnehmen sollen, aber wie alle anderen hab ich mal alles fotografiert und anschließend versucht im Bus bessere Informationen zu erhalten. Zum Glück war der Chef der GTZ in Paraguay an der ersten Station zugestiegen und bei ihm konnte ich mir auf Deutsch die Informationen aus erster Hand und in meiner Muttersprache einholen.

Mein Informationsvorsprung gegenüber den spanisch sprechenden Journalisten war dadurch wieder gewährleistet und ich war in der ersten Runde als Karla Kolumna noch nicht aus der Bahn geworfen worden. Mancherorts gestaltete sich mein Dasein als rasende Reporterin dann aber doch etwas schwieriger, vor allem wenn die Interviewpartner nur Guaraní sprechen. Ziemlich bald kollaborierte ich deswegen mit einem jungen Journalisten, der Kommunikationswissenschaften in Asuncion studiert. Er hat mir nach jeder Station in einfacheren Worten erklärt, worüber der Bauer oder Händler gerade geredet hatte und zudem war er so lieb die für mich total fremd klingenden Namen der Beteiligten korrekt zu notieren.











Muchas gracias Samuel por tu pacienca y tu ayuda!











Auch bei der Konversation mit den anderen Reportern die sich einen Spaß daraus machten mich in Guaraní voll zu quatschen war er eine große Hilfe. Ich bin nach diesen zwei Tagen ein ganz großer Landwirtschaftsspezialist geworden und wenn ich grad nichts anderes zu tun hätte, könnte ich mir morgen ein Stück Boden kaufen und dort korrekte Direktsaat mit Gründünger betreiben, ohne das mein Boden seine Nährstoffe verliert und deswegen weniger Erträge liefert.































Das ist hier in Paraguay eine ganz schöne Herausforderung muss ich dazu sagen, weil das Feld das ganze Jahr über bestellt wird und zudem die Sonne hier ordentlich auf die Prärie knallt! Mein Opa Rudolf hätte wahrscheinlich die größte Freude an all den Dingen, die ich gelernt habe in nur zwei Tagen!









Zur Beruhigung eines jeden Deutschen Steuerzahlers kann ich nur sagen, dass die GTZ hier hervorragende Arbeit leistet und die Arbeit nicht nur bildlich gesprochen auf fruchtbaren Boden fällt.

Die Hilfsmaßnahmen sind gut durchdacht und angepasst auf paraguayische Bedürfnisse und den Entwicklungsstand und den Bauern wird nichts von oben vorgegeben, sondern jeder Produzent arbeitet mit an den Wertschöpfungsketten die hier aufgebaut werden und vom Rohprodukt bis zum Endproduzent gut durchdacht werden.


















Bei einigen Mitarbeitern der GTZ ließ sich auch erkennen, dass das Land auch schon einige Spuren und Eindrücke bei ihnen hinterlassen hat. Keiner der Deutschen rückte ohne sein Terrere Gefäß und das dazugehörige Becherchen (Guampe), gefüllt mit Kräutern aus. Aus diesem wird dann reihum eiskaltes Wasser mit einem silbernen Strohhalm herausgeschlürft. Meine Mutter hätte ihre wahre Freude an dieser Tradition, weil wirklich jeder da seinen Rüssel reinhängt.









Unseren Zeitplan konnten wir natürlich nicht wirklich einhalten, weil unserem Vorhaben irgendwann die paraguayischen Freundlichkeit dazwischen kam. Vor lauter Freude, dass sich mal ein paar Leute aus der Stadt in die Pampa verirren, hatten die Leute mancherorts große Festlichkeiten organisiert. Aus riesigen Boxen schepperte uns zur Feier der Einweihung einer neuen Apotheke schon die lateinamerikanische Stimmungsmusik entgegen und mit vielen Küssen links und rechts wurden sowohl die Leute von der GTZ und Botschaft als auch die Journalisten begrüßt.

Anschließend folgten lange Dankesreden, bei dem sich einfach nur jeder bei jedem bedankte, ohne wirklich etwas auszusagen und eine Sicherstellung des wachsenden Schwimmrings um die Hüften durch paraguayische Köstlichkeiten. Nach über 12 Stunden Programm brauchte ich erst mal ne Siesta bevor um 21 Uhr abends dann ordentlich auf Kosten der Botschaft diniert werden konnte. An dieser Stelle sollte ich vielleicht zugeben, dass sich doch auch schon das ein oder andere Pfund auf meine Hüften gesellt hat. Schuld daran ist das viele Fleisch, dass ich jeden Tag esse. Es vergeht wirklich kein Tag an dem mir nicht irgendwo eine halbe Sau im Wecken oder irgendein Teil aus der Kuh angedreht wird. In diesem Land Vegetarier sein zu wollen ist glaube ich wirklich eine sehr große Herausforderung. Die Hilfsprojekte der Deutschen Botschaft sind im Gegensatz zu den detailliert durchdachten ganzen Programmen, die die GTZ auf die Beine stellt, eher ergänzend gedacht und verbessern punktuell an gewissen Stellen die Situation der Ärmsten im Lande. Bei manchen Hilfeleistungen hatte man das Gefühl, dass sie wie ein Tropfen auf dem heißen Stein kaum eine Wirkung zeigen. Vor allem wenn die Förderung eines Aspekts in einem Umfeld absoluten Armut diesen absolut grotesk erscheinen lassen. In einem Krankenhaus zum Beispiel wurde die Betreuung von behinderten Kleinkindern gefördert. Der für diese mit allem nötigen ausgestatteten Raum befand sich inmitten eines sehr armen Krankenhauses, das eigentlich sonst nur aus leeren Räumen besteht ohne Apparate, Medikamenten aber dafür reichlich Schimmel an den Wänden.









Besonders rührend war die Übergabe eines Spielplatzes an einen Kinderhort, in dem etwa 40 von ihren Eltern verlassene Kinder ein neues Zuhause gefunden haben. Eine einzelne ältere Dame hat es sich dort zur Aufgabe gemacht jeden Tag aufs Neue Spendengelder für die Kinder und sich zu sammeln, damit diese weiterhin zur Schule gehen, Essen, Trinken und Schlafen können. Wir waren alle überrascht, mit wie viel Einsatz und wie viel Geschick diese krebskranke Frau für die Kinder eine kleine heile Welt aus dem Boden gestampft hat.











Nach diesem zweiten sehr ereignisreichen Tag habe ich tatsächlich abends noch mal die Energie aufgebracht mit meinem Mitbewohner und einem anderen Deutschen zu einem Rockkonzert zu fahren. Wie immer stellte sich morgens um vier dann die Frage, wie man denn wieder zurück nach Hause kommt, was nicht immer einfach ist in Asuncion. Thomas und ich sind dann kurzerhand hinten bei einem Laster aufgesprungen und sind unter offenem Himmel über die Landstraße nach Hause geholpert. Wäre da nicht das letzte Stück Weg zu Laufen gewesen, wäre es echt ein angenehmer Heimweg gewesen in der sehr lauwarmen Luft der Nacht. Samstagnacht war ich ein weiteres Mal mit dem lieben Juan Manuel aus. Im ordentlich gebügelten weißen Hemd stand er pünktlich vor meiner Tür. Er hat drauf bestanden mich daheim abzuholen (mit dem Bus wohlgemerkt), weil ich - „seine Prinzessin“ - unmöglich alleine Bus fahren könnte. Er wollte mir nicht verraten was den das Ziel unseres Ausfluges war und überraschte mich kurze Zeit später mit einem kleinen Auftritt seinerseits in einer Karaokebar. Mit einer gesanglich wirklich reifen Leistung gab er gleich zwei romantische lateinamerikanische Lieder zum Besten, während er mir mit seinen Bambiaugen zuzwinkerte. Allerdings fand ich dann doch dass er etwas überengagiert ist, als mir mein eigenes Antlitz, auf seinem Handy als Bildschirmschoner verwendet, entgegen blickte! Weil es sonst eigentlich eher ich bin, die andere Leute überfährt, fand ich es ziemlich amüsant aus Perspektive des Überfahrenen mal die Situation zu betrachten! Auch heute habe ich mich den ganzen Tag an den vielen kleinen Gedichten erfreuen können, die mir der junge Mann über das Handy ohne Unterlass zukommen lässt. Klassischer Fall von weit übers Ziel hinaus geschossen. Ich versuche schon verzweifelt, bei seiner viel zu schnell in Fahrt geratenen Euphorie die Bremse zu betätigen, aber wahrscheinlich bleibt mir nur der Notausstieg!

Pünktlich zum Mittagessen wurde ich von einem Mitglied des Lionsclubs nach Aregua abgeholt, wo die Übergabe eines bayrischen alten Feuerwehrfahrzeuges an die Feuerwehr vor Ort ordentlich gefeiert werden sollte.


















Mitglieder der Presse werden hier wirklich immer besonders liebevoll hofiert und so wurde mir heute sogar über das Mikrophon für mein Dasein gedankt. Anschließend hatte ich die Ehre zur ersten Polka, die laut aus den überdimensionalen Boxen schepperte, mit dem Hauptmann zu Tanzen. Aus den üppigen Fleischbrocken, die auf dem riesigen Grill lagen hab ich mir mal wieder eines der größten Stücke rausgesucht, bevor ich mir anschließend den zweiten Nachtisch habe aufschwatzen lassen. Meine einzige sportliche Leistung heute bestand darin, die glücklichen Feuerwehrmänner, die erst mal den Umgang mit dem Schlauch übten und sich von oben bis unten nass spritzten und ordentlich im Dreck wälzten, zu fotografieren.
















Zudem habe ich noch etwas Sightseeing betreiben können, weil meine persönliche Chauffeurin für den Tag sich anbot mir noch etwas die Stadt und die alte Eisenbahn zu zeigen. Nachdem ich dann eine Esseneinladung für die nächste Woche erhalten hatte, konnte ich dann den dezenten 42 Grad entkommen indem ich mich in meine klimatisierte Wohnung zurückzog.

20.10.2007

Diese Woche war mehr oder weniger eine weitere Woche der Orientierung. Ich habe beschlossen mir einen Roller zuzulegen. Zusammen mit Thomas, der ein überaus geschäftsmäßiges Verhandlungsgeschick besitzt, aber leider nur auf Deutsch, fuhren wir zu einem Rollerhändler. Wie üblich mit Händen und Füßen versuchten wir einen guten Deal für mich zu finden. Nachdem ich ein besonders schönes Modell für mich ausgesucht hatte verabschiedeten wir uns und ich hinterließ meine Handynummer. Ziemlich blöder Fehler von mir eigentlich, denn nicht nur, dass diese für Werbezwecke missbraucht wurde, nein auch an andere Kunden, die mich im Laden gesehen hatten und kennen lernen wollten, wurde sie herausgegeben. Schon bald erfreute ich mich zahlreicher sms eines übermotivierten Feuerwehrmannes, der mich inständig bat mein Freund werden zu dürfen! Nicht zu antworten ist nicht unbedingt eine Taktik, die in diesem Land zum Erfolg führt. Beziehungsweise nimmt die Frequenz an sms nur sehr langsam ab, wenn man nicht antwortet. Überhaupt stehen Paraguayer sehr auf sms. Auch von meinen männlichen Arbeitskollegen werde ich überschüttet mit überaus uninformativen sms, die einzig und allein der Fortführung der Kommunikation dienen. Immerhin kreativ sind sie, denn eine ausbleibende Beantwortung führt zu einem großen Variationsspektrum des allseits beliebten „Wie geht’s?“ auf Spanisch. Mir ist die Woche über außerdem aufgefallen, dass die Paraguayer und natürlich auch die –innen ganz schöne Weicheier sind. Ich kann es bald nicht mehr hören so oft wie mir am Tag gesagt wird, dass dies und jenes und überhaupt alles gefährlich ist. Wenn ich mich nach den vielen Ratschlägen richten würde müsste ich mich wohl bei mir im Haus verbarrikadieren und hoffen, dass bald das halbe Jahr rum ist und ich nach Hause darf. Verglichen mit ein paar Gegenden in Rio erscheint mir Paraguay jedoch eigentlich recht ungefährlich muss ich sagen. Es wäre schon grob leichtsinnig, wenn ich mit meiner funkelnden Digitalkamera und meinem blonden Haar alleine durch ein Ghetto laufen würde, aber so lange ich das unterlasse und gewisse Gegenden bei Nacht vermeide werde ich wohl weniger Probleme haben als in Rio zum Beispiel. Ein besonders zartes paraguayisches Pflänzchen, das ich diese Woche kennen gelernt habe heißt Patricia. Sie bewegt sich eigentlich nur von der Wohnung ihrer Eltern zu „Shopping Del Sol“, einem bewachten Einkaufszentrum der obersten Luxusklasse, um anschließend den Abend im Club Centaurion ausklingen zu lassen. Dorthin hat sie Filzbeutel-Thomas und mich dann auch zum Abendessen eingeladen. Dieser Club ist mehr als ein Fitnessclub. Es ist eine riesige durch eine Mauer vom Rest der Welt abgeschirmte Luxusinsel, auf der man sowohl alle möglichen Sportarten ausüben, sich die Haare schneiden lassen, Essen oder in die Disco gehen kann. Sprich eigentlich alles, was man draußen in der gefährlichen Welt auch unternehmen kann nur mit dem Unterschied, dass allen denen das nötige Kleingeld fehlt der Zugang verwehrt wird. Mir stand eigentlich die komplette Zeit, die wir auf diesem künstlichen Gelände von außergewöhnlicher Schönheit verbracht haben, der Mund offen. Aus dem Kontext der Worte, die an diesem Abend aus der hübschen Paraguayerin kamen konnte eigentlich auch viel über die paraguayischen Frauen geschlossen werden. Sie erachten sich selbst nicht als so wichtig und bedeutend wie die Männer und haben sich mehr oder weniger daran gewöhnt, dass ihre Männer sich deswegen auch nicht nur mit einer Frau zufrieden geben können sondern mindestens noch 2 weitere benötigen. Ich hoffe nur, dass ich noch andere Paraguayerinnen kennen lernen werde, die mein etwas in Schieflage geratenes Bild von den Frauen hier wieder gerade rücken. Besonders gelungen war diese Woche der Freitagabend.








Nach deutscher Gepflogenheit haben sich die Deutschen untereinander organisiert und zu sechst begannen wir den Abend recht früh mit einem Glas Wein.

















In der wunderbaren Absicht deswegen auch früher ins Bettchen gehen zu können. Leider ist in Asuncion selten etwas vor 1 Uhr los. Gegen zwei wurden wir dann von Paraguayerinnen in einen Club etwas außerhalb geschleppt.

Ich und eine andere Deutsche konnten uns aufgrund unserer blonden Haare dort kaum noch helfen. Mir ist fast komplett die Lust am Kennenlernen von Einheimischen vergangen, nachdem ich mich fühlte wie ein Kadaver, der von Geiern umkreist wird. Zusätzlich erschwerte die laute Musik, die an die Musik in der Nähe von Autoscoutern auf Jahrmärkten erinnerte, dass ich richtig verstehen konnte was ich gefragt wurde. Die Situation empfand ich alles in allem recht frustrierend. Vor allem die Tatsache, dass ich ja Paraguayer kennen lernen möchte, aber sich das aufgrund von Sprachschwierigkeiten und kulturellen Unterschieden wohl doch etwas schwierig gestaltet. Ein junger Mann hat es jedoch geschafft sich herauszukristallisieren, der sich die Mühe gab mein spanisches Gebrabbel zu verstehen und in so einfachen Worten zu reden, dass selbst ich nicht mehr ständig auf dem Schlauch stand. Wir waren immer noch am Reden, als dann irgendwann die Sonne aufging. Samstag habe ich deswegen eigentlich komplett verschlafen um abends dann wenigstens mein Interview mit einem Chirurgenteam aus Deutschland durchführen zu können. Es ist schon interessant was für Leute man hier in Paraguay trifft. Es sind entweder besonders miese Leute, die Paraguay als Billigland und Steueroase betrachten und den größtmöglichen Profit aus dieser Situation ziehen wollen oder Menschen, die genau dem Gegenteil entsprechen und nach einem anderen Lebensmotto leben:

„Wenn jeder, entsprechend seiner Fähigkeiten, seinen Teil zum Funktionieren der Gesellschaft beiträgt, können großartige Dinge vollbracht werden. Manchmal kann sogar die Ungerechtigkeit der Natur ausgeglichen werden. Wie so eine erfolgreiche Hilfeleistung aussehen kann, zeigte eine überaus couragierte Gruppe zusammengewürfelt aus Fachärzten und Assistenten aus Deutschland und Österreich. Sie haben finanziell schwachen Menschen die Möglichkeit gegeben, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Fall ist dies nicht nur bildlich gesprochen, sondern darüber hinaus durchaus auch wörtlich gemeint. Die auf Rekonstruktionsoperationen an Händen, Gesicht, Beinen und Sehnen spezialisierten Chirurgen Prof. Dr. Wolfgang Stock von der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Prof. Dr. Heribert Hussl von der Universitätsklinik Innsbruck operierten Ende Oktober kostenlos 70 Paraguayer, denen die finanziellen Möglichkeiten für eine Operation fehlten. Darunter viele Einzelschicksäle, denen aufgrund des Einsatzes der Ärzte das Leben wieder ganz neue Möglichkeiten bietet. Zum Beispiel kann jetzt ein kleiner Junge aus Santa Rita seine durch Brandwunden komplett funktionsunfähig gewordenen Hände wieder normal bewegen und einsetzen. Die Spezialisten aus Europa werden für ihren Einsatz nicht bezahlt, sondern nutzten ihre Urlaubszeit, um durch ihre Hilfe ihren Beitrag an der Gesellschaft leisten zu können. Abgesehen davon genießen sie es in Paraguay den hippokratischen Eid, bei dem die Versorgung des Patienten an erster Stelle steht, fernab von bürokratischer Überregulierung frei ausüben zu können.“ (Aktuelle Rundschau Paraguay, Rafaela R.)

Am Sonntag ließ ich die Woche in Gesellschaft von Juan Manuel ausklingen.

Ein 25 jähriger Paraguayer, der es sich trotz seiner etwas schwachen Finanzlage zur Aufgabe gemacht hatte, einen unvergesslichen Abend mit mir zu verbringen. Er ist eigentlich der erste, mit dem ich mich richtig gut auf Spanisch unterhalten habe. Das ist zu einem großen Teil aber auch ihm zu Gute zu halten, weil er sich doch einige Mühe geben musste, um die falsch zusammen gesetzten Sätze so für sich zu sortieren, dass sie wieder Sinn machen. Immerhin haben wir so mehrere Stunden zusammen verbracht ohne, dass einem von uns beiden langweilig gewesen wäre. Es tat mir ein bisschen Leid, dass er für seine Verhältnisse wahrscheinlich recht viel für mich ausgegeben hat, weil die Männer hier ja schließlich drauf bestehen alles zu bezahlen und ich mich irgendwann bei dem Gedanken ertappte, dass mir definitiv eine nettere etwas teurere Bar einfallen würde, die das Wort Gemütlichkeit etwas mehr verinnerlich hat. Mich störte es dann auch etwas, dass ich kein Taxi alleine nach Hause nehmen konnte, weil er darauf bestand, mich in dem Taxi nach Hause zu begleiten. Die Begründung war die übliche: weil es gefährlich für ein Mädchen ist alleine IRGENDETWAS zu machen! Mit meinem deutschen Gefühl von Unabhängigkeit lässt sich das alles nur schwer vereinbaren und ich bin sehr glücklich, wenn ich endlich meinen Roller habe, mit dem ich dann die ganze Diskussion umgehen kann. Er ist anschließend nahezu zwei Stunden nach Hause gewandert, weil um die Uhrzeit keine Busse mehr fahren!

Montag, 15. Oktober 2007

Wochenrückblick 14.10.2007

Etwas müde von der letzten Nacht versuche ich gerade Revue passieren zu lassen, was sich alles diese Woche ereignet hat. Eigentlich ist vieles davon nicht gerade spektakulär. Meine Hauptaufgabe für die Woche war die Organisation eines Handys. Da ich mich mit sehr gebrochenem und grammatikalisch völlig inkorrektem Spanisch mittlerweile verständigen kann, fand ich, es wäre an der Zeit, ein Gespräch mit den Handyvertreibern zu führen. Hat auch zuerst alles wunderbar geklappt: Neue Chipkarte im Handy und wenn ich die Dame richtig verstanden habe, dann hätte das Handy gleich am nächsten Tag funktionieren sollen. War aber natürlich nicht so! Mitte der Woche stellte ich dann fest, dass mein Handy sich nicht in dieses Netz einwählen kann (nach unzähligen Gesprächen mit unzähligen unterschiedlichen Leuten) und Ende der Woche hatte ich dann endlich in Begleitung eines Einheimischen doch einen anderen Provider gefunden, den mein Handy akzeptiert.EINE WOCHE habe ich als Kommunikations- Junkie gebraucht, um endlich nach über einem Monat der Sendepause wieder stolzer Besitzer eines Handys zu sein!

Die korrekte, formelle Beantragung meines Praktikumsplatzes beim Mercosur-Gericht zog sich ebenso über die ganze Woche hin. Mit einem auf spanisch verfassten Bewerbungsschreiben an den Direktor des Mercosur-Gerichts und meinen Lebenslauf wurde ich in die Deutsche Botschaft geschickt, die meine Bewerbung mit einem Begleitschreiben versehen sollten. Zum Glück habe ich dank der Botschaftsparty recht gute Kontakte zur Botschaft und das alles war kein Problem. Anschließend hat der Direktor des Mercosur-Gerichts ein Begleitschreiben verfasst, das an das Außenministerium gerichtet war. Ich hatte so das Gefühl, dass das komplette Büro eigentlich recht glücklich darüber war, endlich einen Vorgang zur Bearbeitung vorliegen zu haben. In geschwollenem Spanisch wurde seitenlang verfasst, warum es eine dringende Notwendigkeit darstellt, dass ich ein Praktikum beim Mercosur mache. Das komplette Büro und ich sind dann mit dem Stapel an Papieren ins Außenministerium gefahren. Natürlich wurden auf dem Weg noch ein paar der persönlichen Besorgungen der Mitfahrenden erledigt, so dass sich das ganze unendlich in die Länge zog. So ganz nachvollziehen konnte ich nicht genau was anschließend im Außenministerium genau geschah. Auf jeden Fall sind wir von Raum zu Raum gelaufen und haben irgendwelche Leute neue Schreiben verfassen lassen oder von uns verfasste Schreiben wurden mit einem Stempel versehen. Irgendwann hat auch keiner mehr gefragt, wieso er eigentlich einen Stempel auf ein Papier macht. Dies gehört hier wohl irgendwie zum üblichen Prozess und läuft neben den privaten Gesprächen, die in den Büros eigentlich nicht für die Arbeit unterbrochen werden. Fazit unseres Ausfluges war dann, dass irgendjemand im Urlaub ist, der auch noch einen Stempel machen muss. Somit fehlt mir weiterhin die offizielle Erlaubnis ein Praktikum ab dem 1. Oktober begonnen haben zu dürfen. Alles in allem ein langwieriger Vorgang dafür, dass ich an einem Holztisch sitzen und nichts machen darf. Aber was tut man nicht alles für seinen Lebenslauf.

In dieser Woche habe ich auch meine Vorliebe für Dinge aus Leder entdeckt. Um diese neue Sucht ausgiebig ausleben zu können, wurde ich von der Redaktion nach Atyra geschickt, um eine Reportage über die Lederverarbeitung dort zu machen. Als ich beim Mercosur-Gericht erwähnte, dass ich alleine dorthin gehen wollte, waren alle sehr beunruhigt, da ich als Mädchen unmöglich alleine so lange Bus fahren könne. Fazit war, dass der Chef einen seiner Mitarbeiter anwies, mich dorthin zu begleiten und den gesamten Tag über auf mich aufzupassen. Genau das hat dieser über alle Maße höfliche Mensch dann auch gemacht und mich den ganzen Tag nach allen Regeln der Kunst bemuttert und mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Der Höflichkeit halber musste ich immer vor ihm laufen, was ganz schön anstrengend sein kann, wenn er viel besser weiß wo wir hin müssen! Die Konversation fand ausschließlich auf Spanisch statt, was nicht gerade dazu beigetragen hat, dass ein Gespräch auf hohem Niveau stattfand! Ich hab irgendwann angefangen ihm die Geschichte vom Rotkäppchen zu erzählen, weil wir die nun mal gerade im Spanischunterricht durchgenommen hatten! So viel zu meinem momentanen Sprachlevel!











Wir sind ungefähr 2 Stunden in einem der üblichen Ohrenbetäubend lauten Busse mit harten Holzsitzen ins Inland gefahren. Streckenweise waren die typischen roten Feldwege so uneben, dass der Bus mehr holperte als fuhr. Natürlich wie immer in nahezu ungezügelter Geschwindigkeit. Hatte ich eigentlich erwähnt, dass es letzte Woche einen der Busse aus der Kurve geworfen hat und er auf der Seite liegend zum Stehen kam?

Landesweit ist die Stadt Atyra als die sauberste Stadt von Paraguay bekannt. Ihre ungefähr 16 000 Einwohner leben vor allem von den Lederarbeiten, Holzschnitzereinen und vom Tourismus. Die Lederproduktion hier ist noch zu nahezu 100 Prozent Handarbiet und kann von der ersten Bearbeitung der noch haarigen Häuge bis hin zur fertigen Handtasche verfolgt werden.


















In Atyra selbst war ich dann sehr froh, dass Roberto mit dabei war, weil ich natürlich nicht wirklich in der Lage war, die Leute auf Spanisch zu interviewen. Er schien auch sehr viel Spaß bei der Besichtigung der ihm auch noch unbekannten Stadt zu haben!










Mit meiner üblichen dezenten Selbstüberschätzung hatte ich das natürlich vorher nicht vermuten können. Er hat sich wundervoll mit den Leuten unterhalten und ich muss jetzt nur noch einen Artikel darüber schreiben, was ich denke verstanden zu haben. Fehlende Informationen werde ich hoffentlich durch das gute Wikipedia auszugleichen können. Und die Bilder sprechen eigentlich auch für sich!






















Falls übrigens Interesse an einer in stundelanger Handarbeit verzierten echten Ledertasche für ungefähr 20 Euro besteht, die von dem netten Mann auf den Bildern bearbeitet wurde, bin ich gerne bereit diese nach Deutschland zu verschicken!










Die dazu passende protzige Einrichtung komplett in Leder, kann bei ihm natürlich auch bei ihm erworben werden.









Ein besonderes Highlight dieser Woche war eindeutig ein Zahnbürsteverkäufer, der im Bus sehr gekonnt und sprachlich sehr versiert seine Zahnbürsten anpries.












Man hätte ihm ohne weiteres einen Job auf einem Homeshopping Kanal anbieten können, gerade weil er sich doch sehr von den üblichen tausenden Verkäufern abhob, die meist sehr einfallslos Früchte, Getränke, Kaugummis, Nagelscheren, Fächer, Lose, Zeitungen oder was auch immer in den Bussen verkaufen. Besonders süß war ein wirklich sehr junger Verkäufer, der mir stolz erzählte, dass er am Tag ungefähr 30 Euro verdient, bevor er dann abends in die Schule geht.










Ich hatte mir für diese Woche fest vorgenommen, schon allein der Erfahrung zu Liebe, mit einem Paraguayer auszugehen. Dies erwies sich als gar nicht so einfach, weil in dem deutschen Netzwerk in dem ich mich meist befinde sehr wenig Paraguayer anzutreffen sind. Diejenigen, die mir auf der Straße „Madre de Dios“ oder ähnliche Dinge hinterher rufen oder komische „Mieze komm mal her Geräusche“ machen, hatte ich bisher als potentielle Dates auch eher ausgeschlossen. Deswegen war für mich wohl die Entscheidung online nach einem Date zu suchen nicht unbedingt so abwegig, weil da ja immerhin die Möglichkeit besteht nach bestimmten Suchkriterien eine gewissen Vorauswahl zu treffen. In die nähere Auswahl kamen bei MySpace dann auch gleich 5 Jungs, denen ich eine Mail schrieb! Schon am nächsten Tag wartete ich sehr gespannt vor einer Bar in der Stadt auf einen jungen Mann mit dem poetischen Namen Pedro der Tapfere! Mit einer bewusst inszenierten kleinen Verspätung tauchte ein riesiger schwarzer Monstertruck vor der Bar auf, aus dem hoch über dem Asphalt meine gutaussehende tapfere Begleitung für den Abend grinste. Die Frage was mit der Größe des Autos überspielt werden sollte stellte ich mir nicht mehr, als geschätzte 1,75 Meter aus dem Auto sprangen. In der Bar erregten mein recht gut gebauter Prinz für den Abend und ich einiges an Aufmerksamkeit. Die Kellnerin versuchte überhaupt erst gar nicht zu vertuschen, dass sie uns unverholen anstarrte. Etwas unangenehm war das für uns vor allem, weil sie nur durch die Bar und ungefähr einen halben Meter Abstand von uns getrennt war. Nachdem sie nach ungefähr einer halben Stunde ihren Mund endlich wieder geschlossen hatte, sagte sie schüchtern zu Boden blickend, dass sie mich sehr schön findet und dass wir ein perfektes Pärchen abgeben würden. In dieser Situation lag es mal nicht unbedingt an meinem Spanisch, dass ich etwas sprachlos war. Krass war auch was passierte, als meine Abendbegleitung mal kurz für kleine Königstiger musste. Tapfer und bestimmt musste er sich anschließend durch die Traube an komischen Gestalten um mich rum kämpfen, um den Barhocker neben mir wieder einnehmen bzw. erklimmen zu können! Mein blondes Haar erweist sich hier als absoluter Publikumsmagnet und ich glaube, dass den wenigsten irgendetwas abgesehen von den Haaren auffällt! Traurig gemacht hat mich die Bedienung, die mit ihren Anfang 20 das Schicksal für sich gewählt hat, mit dem dicken, alten, hässlichen Besitzer der Bar zusammen zu sein. Pedro meinte, dass dies nicht gerade unüblich sei, weil vielen Menschen hier komplett die Mittel fehlen, um anders der Armut zu entgehen.

Für den nächsten Abend stand paraguayisches Oktoberfest auf dem Programm. Leider spielte das Wetter nicht wirklich mit und statt der erhofften 5000 Leute waren gerade mal 1500 bereit dem Leberkäse (Hamburger alemana)und Kartoffelsalat (Salada alemania) in Kombination mit paraguayischem Bier eine Chance zu geben. Filzbeutel-Thomas und ich wollten das Spaßige mit der Arbeit verbinden und standen mit einem Bier in der einen und dem Schreibblock in der anderen Hand auf dieser Festivität. Die Dame, die den ersten Preis bei dem Outfit-Contest gewonnen hat, habe ich natürlich festgehalten.









Mein mutiger Gentleman von gestern hatte es sich auch heute zur Aufgabe gemacht, nicht von meiner Seite zu weichen, was partiell glaube ich ziemlich langweilig für ihn war. Höflich grinsend stand er neben uns, während wir die Deutschsprechenden Verantwortlichen der Party interviewten. Geduld ist definitiv eine der Eigenschaften, die er an diesem Abend bewies, obwohl er irgendwann doch mit Nachdruck darauf bestand, mir noch ein paar schöne Bars in der Stadt zeigen zu wollen. Hoch über dem Asphalt genoss ich später dann in seinem Truck den ungewohnten Anblick der Stadt von oben, der auch mir meist vorenthalten bleibt. So erfuhr ich dann gegen später auch, dass er zusammen mit seinem Vater Besitzer von zwei sehr teuren und bekannten Restaurants in Asuncion ist. Spätestens an den gigantischen Dimensionen der Villa in der er lebt, konnte ich ihn eindeutig der kleinen überaus wohlhabenden Schicht in Paraguay zuordnen. Sein perfektes Englisch und die Art, wie er mit meinen Bekannten aus der Botschaft kommunizierte, hatte das aber schon früher erahnen lassen. Da soll noch mal jemand was gegen das Online- Dating sagen! Leider habe ich trotzdem meine Mission mit einem Paraguayer auszugehen nicht erfüllen können, weil Pedro leider eine Mischung aus Brasilianer und Amerikaner ist und überhaupt nicht exemplarisch ist für Paraguay. Vamos a ver si el sigue aparecer en mi blog!

Weitere Fragen die für diese Woche unbeantwortet bleiben sind:

Warum sind so viele Toiletten hier eine absolute Zumutung?





















Wie kann ein Bürgersteig aussehen, wie wenn jemand rein gebissen hätte?




















Warum fällt beim Tanzen die Vase nicht auf den Boden?














Wie hat man diese ambitionierte Dame dazu bekommen sich so für diesen Mann einzusetzen, der im nächsten Jahr Präsident werden will?


















Und wer möchte stolzer Besitzer dieser wundervollen Handtasche werden?


Montag, 8. Oktober 2007

Wochenzusammenfassung 1.10.2007- 8.10.2007

Am Ende der ersten Woche hier, blicke ich bereits auf jede Menge neue Erfahrungen zurück und weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Die deutsche Zeitung mit dem Namen „Aktuelle Rundschau“ ist in einer der besseren Gegenden der Stadt in einem kleinen Haus untergebracht. Beim Betreten des Hauses stolpert man nahezu über den Schreibtisch der Empfangsdame, direkt gefolgt vom Schreibtisch des Chefs, der nur durch ein Bücherregal abgetrennt ist und unter die Treppe gequetscht wurde. Für deutsche Verhältnisse platzmäßig etwas begrenzt, teilen sich gleich um die Ecke 8 Leute ein Bürozimmer, so dass ein Computer direkt neben dem nächsten steht.

Die Kaffeemaschine hat bei dieser fantastischen Platzausnützung natürlich drinnen keinen Platz mehr gefunden und steht draußen auf dem Hof, direkt neben dem Auto des Chefs. Ein Telefon ist auch nicht für jeden verfügbar, sondern ein gemeinsamer Apparat ist in der Mitte des Raumes an der Wand angebracht. Hier bekommt Gruppenarbeit eine ganz neue Bedeutung!

Die Zeitung, die zweimal im Monat erscheint, wird hauptsächlich von den vielen in Paraguay lebenden Deutschen bezogen und hat sich zudem nicht nur auf Neuigkeiten spezialisiert, sondern liefert alle möglichen anderen Arten von Service, die man sich als Deutscher in Paraguay so wünschen kann, wie einen Postservice nach Deutschland, Verleih von deutschen DVDs, Zeitschriften und Büchern und anderen deutschen Annehmlichkeiten. Mittagessen gibt es gleich um die Ecke in einem Kaufhaus, wo man für Mensapreise fantastisches Essen bekommt. Für nicht einmal zwei Euro kann man hier schlemmen ohne Ende. Bezahlt wird in Guarani, einer Währung, die mich irgendwie an die italienischen Lire erinnert. 1 Million Guarani sind ungefähr 140 Euro. Nach dieser Rechnung bin ich also mehrfacher Millionär, was mir eigentlich sehr gut gefällt. Zudem bekommt man für 1000 Guarani ungefähr so viel wie in Deutschland für einen Euro. Nur mit dem Unterschied, dass man gerade mal 15 Cent ausgegeben hat. Das Problem mit der Währung ist nur, dass der Geldbeutel ständig vor lauter Scheinen überquillt und man sich trotzdem so fühlt, wie wenn man viel Geld ausgibt, weil immer sehr hohe Beträge, die man nur anhand der vielen Nullen auseinander halten kann, über die Theke gehen.

Arbeitstechnisch wurde alles erst mal recht tranquilo (langsam, gemütlich im deutschen Sinne) angegangen und meine erste Aufgabe bestand darin, einem anderen Deutschen, der gerade erst angekommen war, unsere Unterkunft und die Stadt zu zeigen. Mit meinen ganzen 2 Tagen Vorsprung war mir das schon ein leichtes

Gleich am nächsten Tag wollte Thomas (der großartige Mensch, der mir dieses Praktikum ermöglicht hat) mich dem Direktor des Mercosur Gerichts vorstellen, der bei unserem ersten Besuch erst mal durch Abwesenheit glänzte. Wenige Stunden später saßen wir dann doch in seinem Büro und klärten die Formalitäten, um anschließend noch über Gott und die Welt zu plaudern. Thomas lebt schon seit über drei Jahren hier und ist davon überzeugt, dass man hier gar nicht spanisch sprechen lernen muss, wenn man sich im deutschen Umfeld bewegt und es versteht sich mit Mimik und Gestik auszudrücken. So saßen wir beiden dann Grimassen schneidend und wild fuchtelnd gegenüber von Señor LLanes, der sehr amüsiert über unsere Bemühungen war! Ich war sehr erfreut und überrascht darüber, dass sich der Direktor so viel Zeit für uns nahm und ausgiebig und mit aller Ruhe der Welt auf Spanisch sehr viele Geschichten zum Besten gab, die mas o menos (mehr oder weniger) von Thomas und mir verstanden, aber immer mit einem nickenden Grinsen quittiert wurden. Anschließend war es auch fast schon an der Zeit sich für den Abend zu richten, bevor Thomas mit dem Motorrad wieder vor meiner Tür stand. Wir waren schließlich in die Deutsche Botschaft eingeladen, um über die Feier aus Anlass der deutschen Wiedervereinigung zu berichten.

Vor der privaten Residenz des deutschen Botschafters wartete zusammen mit mir eine lange, bunt gekleidete Schlange von über 600 geladenen Gästen darauf. Begrüßt wurden wir von einer aus 6 Personen bestehenden Reihe Händeschüttelnder Persönlichkeiten der deutschen Botschaft, die nach Wichtigkeit und Rang sortiert waren.









Aus der Kühle der klimatisierten Empfangshalle wurden die Gäste nach dieser routineartigen maschinell anmutenden Geste, die die Höflichkeit gebietet, direkt in die drückende Hitze des Gartens entlassen. Gegen 19 Uhr abends betrug diese immer noch satte 32 Grad Celsius. Eingezwängt in Krawattenknoten und enge, teilweise sehr aufwändige Abendkleider, wartete die Gesellschaft direkt neben dem kühlen und einladenden Nass des Pools, der leider ausschließlich Dekorationszwecken diente. Berieselt wurde die Menge von den zarten Klängen eines Streichquartetts und einen Vorgeschmack auf das Buffet boten die dekorativ angerichteten Häppchen. Thomas stellte mich dort unterschiedlichen Persönlichkeiten vor. Nur beim paraguayischen Innenminister erwähnte er leider den Namen und Titel erst nachdem ich diesen politisch gewichtigen Mann geduzt und ihn mit meinem schlechten Spanisch einige Minuten gequält hatte. Das demotivierte mich jedoch in keinster Weise, genauso wenig, wie die völlig aufgeblasene Art des Amerikanischen Botschafters, der stark schwitzend nicht mal versuchte vorzutäuschen, irgendein Interesse an einem Gespräch mit mir zu haben. Auch mein Chef aus dem Mercosur Gericht durfte bei einem Event wie diesem natürlich nicht fehlen.











Auffällig waren, trotz der Hitze, der entspannte Gesichtsausdruck und die gesund aussehende leichte Bräune der im Exil lebenden Deutschen, die der stressigen Geschäftigkeit Deutschlands für eine Lektion in Sachen „tranquilo“ entwichen waren. Ins Auge stach auch die hohe Anzahl an älteren Herren, die sich, zusätzlich zu ihrer sehr stilvollen Kleidung, mit überaus hübschen, wundervoll lächelnden Frauen zierten.

Unter mit Girlanden in Farbe der deutschen Flagge verzierten Pavillons, war das reichhaltige internationale Buffet aufgebaut, das wirklich keinerlei Wünsche offen ließ. Abgelenkt durch die vielen Köstlichkeiten wurde meist schnell ein Grund gefunden, die hauptsächlich auf Deutsch geführten Gespräche auf ein Minimum zu begrenzen. Nachdem das Buffet ausreichend geplündert wurde, war die Menschenmasse, genauso schnell wie sie gekommen war, noch vor 22 Uhr, wieder verschwunden. Auch ich war nach den vielen Gesprächen glücklich wieder daheim anzukommen und musste vor dem schlafen gehen nur noch die vielen Visitenkarten sortieren, damit ich nicht den Überblick verliere.

Mein erster Tag beim Mercosur Gericht war überaus interessant und ermöglichte tiefe Einblicke in das paraguayische Arbeitsleben. Nachdem ich mit dem Direktor erst mal eine Stunde Kaffee getrunken und geplauscht hatte, rief er sein komplettes Personal in sein Büro. Feierlich verlas er dort, vor versammelter Mannschaft, meinen Lebenslauf und verpasste keine Gelegenheit um mich und meine Fähigkeiten über den grünen Klee zu loben. Ich wusste schon gar nicht mehr, was ich sagen sollte und war eigentlich recht froh, als ich von einer der Angestellten zu meinem Schreibtisch gebracht wurde. Bisher hatte keiner erwähnt, was eigentlich genau meine Aufgabe sein sollte und so setzte ich mich erst mal geduldig an einen kargen Holztisch, auf dem sich ausschließlich ein Telefon befand.











Bei einem Blick durch den Raum fiel mir dann doch auf, dass auch auf den anderen Schreibtischen einige Arbeitsutensilien, wie zum Beispiel Computer oder andere technische Geräte abgesehen vom Telefon komplett fehlten. Im Nebenraum entdeckte ich schließlich doch einen einzigen Computer, der jedoch zweckentfremdet als MP3 Player verwendet wurde. Eine Angestellte erklärte mir, dass auch im Außenministerium den 10 Angestellten lediglich 2 Computer zur Verfügung stehen. Zusammen mit den anderen Angestellten (5 an der Zahl), saß ich dann also die Zeit bis um 12 Uhr ab und ließ mir immer wieder versichern, dass das alles anders wäre wenn in Asunción Treffen mit den anderen Ländern des Mercosur stattfanden- ganze 2 Mal im Monat also! Sehr amüsiert traf ich dann am Mittag bei der Aktuellen Rundschau ein und war dann doch sehr froh, dass dort wenigstens wirkliche und nicht nur fiktive Arbeit auf mich wartete. In die Redaktion wurde ich eigentlich sofort eingebunden und in der nächsten Ausgabe werden gleich drei meiner Artikel zu lesen sein. Der Heimweg gestaltete sich diesmal etwas länger, weil ich mich darauf verließ, dass ein Bus auf dem meine Straße draufsteht auch in meine Straße fährt. Nach über einer Stunde Fahrt fragte ich dann doch einmal nach und stellte fest, dass ich mich schon gar nicht mehr in Asunción befand. Insgesamt dauerte mein Heimweg an diesem Tag ganze drei Stunden. Am Tag zuvor hatte ich auch schon länger als üblich für den Heimweg gebraucht, weil ein Strommast vor uns auf die Straße fiel und die Stromleitung Funken schlagend über den Asphalt sprang. Sie erwischte glücklicherweise nur den Laster vor uns, jedoch wollte unser Fahrer tatsächlich einfach über durch den Funkenregen fahren. Bevor ich mich mit einem Sprung aus dem Bus retten konnte, hatte einer der Mitfahrer mit lautem unverständlichem Gebrüll den Fahrer doch zum Stoppen veranlassen können. Mich wundert mittlerweile nicht mehr viel muss ich sagen. Ich hätte nur sehr gerne verstanden was sich die beiden Männer in ihrer anschließenden verbalen Auseinandersetzung, die schließlich in Handgreiflichkeiten mündete so an den Kopf warfen.

Der nächste Tag begann um 4 Uhr morgens als Thomas und ich aufbrachen um Käsereien im ganzen Land zu besuchen. Schnell stellte ich fest, dass dieser Job bei der Zeitung eigentlich der beste Weg ist um Land, Leute und Essen kennen zu lernen. Die erste Käserei an der brasilianischen Grenze operierte definitiv nach paraguayischen Standards und ließ keine Zweifel daran, dass wir uns nicht in Europa befanden.












Hingebungsvoll ließen wir uns keine einzige der unterschiedlichen Käsesorten, die von Roquefort über Tete de Moine bis hin zum Sprinzkäse reichte, entgehen. Schon interessant, das gleich mehrere Franzosen und Schweizer auf die Idee gekommen sind, ihre Käsekunst in Paraguay auszuüben! Überraschenderweise ist auch der Geschmack des Käses hier um einiges intensiver, weil keinerlei absurde EU-Hygienevorschriften die Käsequalität einschränken und hier die nötigen Bakterienkulturen einfach Bakterien sein dürfen. Zusätzlich stammt die Milch tatsächlich nur aus biologischem naturnahem Anbau, weil man hier gar nicht viel anderes kennt.


































Die Einblicke, die ich in das Leben der paraguayanischen Landwirte und Käsemacher erhalten habe, waren auf jeden Fall sehr interessant. Es gibt außerdem nichts genüßlicheres als im Land rumgefahrenn zu werden und das ganze dann auch noch als Arbeit zu bezeichnen.


Heute behielt Thomas auf jeden Fall recht, dass wir im Gegensatz zu den paraguayischen Journalisten sprachlich gesehen sogar einen Vorteil hatten, bei den Schweizer Käsemeistern. Total voll gestopft bis oben hin mit Käse, lag ich dann schon abends um 20 Uhr im Bett.





Aufgrund der Klimaanlagen, die die Raumtemperatur auf Kühlschrankniveau runterkühlen, während draußen an die 40 Grad herrschen, habe ich mir gleich in der ersten Woche eine fette Erkältung eingeholt. Nichts desto trotz konnte ich es am Samstag nicht lassen mit dem Mitpraktikanten, der im Zimmer gleich gegenüber wohnt, den Mercado Quadro zu besuchen.

Abgeschirmt von Sonnenlicht mit zusammengestückelten Plastikfolien taucht man direkt in ein wildes Gewirr an Strassen und Gässchen ein, wo wirklich alles Erdenkliche zum Verkauf angeboten wird und die Gerüche sich zu einem kaum mehr annehmbaren Gemisch aus allem möglichen zusammenfügen.











Mit offenem Mund liefen Filzbeutel-Thomas (ich musste einen Namenszusatz für einen der beiden Thomase finden, um sie unterscheiden zu können! Erkennungsmerkmal von meinem Mitpraktikanten ist definitiv sein ständiger Begleiter, die filzige Männerhandtasche, die aussieht wie selber hergestellt) staunend vorbei an Sportschuhimitaten, Lebensmitteln, glitzerndem Plastikspielzeug, komischen Anziehsachen in schillernden Farben und allem möglichen anderen von dem man wirklich nichts kaufen wollte. Teils aus hygienischen, teils aus visuellen bzw. geschmacklichen Gründen. Immer wieder fiel unser Blick auf schlafende Menschen, die inmitten von Müllbergen oder zwischen zwei Ständen eingequetscht ihre Siesta hielten oder einfach mal recht gemütlich die Kilo an Dreck unter ihren Fingernägeln hervorholten. Bei dem Besuch dieses Stadtviertels musste ich ständig an die Worte meiner Mutter denken, die nach eingehender Inspizierung der im Internet verfügbaren Fotografien über Asunción meinte, dass das eine wirklich schön saubere und ordentliche Stadt sei.









So viel Dreck, wie in dieser Stadt, habe ich eigentlich noch nie in meinem Leben an einem Ort komprimiert gesehen, muss ich sagen. Eine Dusche ist hier auch mindestens jeden Tag einmal fällig, weil man sonst recht schnell die gleiche dunklere Färbung, wie die der Einheimischen an sich haften hat.

Schwierig gestaltet es sich auch manchmal, etwas zum Essen zu finden. Recht hungrig liefen Filzbeutel-Thomas und ich durch dieses Labyrinth an Essenständen, bevor wir einen Ausgang auf eine normale Straße fanden, um dort ein sauberes Restaurant betreten zu können. Als taktisch klug erweist es sich auch meist, erst mal den Laden und vor allem die Kundschaft zu beobachten, bevor man sich dann eine der Leckereien bestellt. Die Empanadas sind aber dann meist unschlagbar im Geschmack und definitiv zu empfehlen! Aufgrund meines Schnupfens fiel leider die Abendplanung etwas karg aus.