Montag, 8. Oktober 2007

Wochenzusammenfassung 1.10.2007- 8.10.2007

Am Ende der ersten Woche hier, blicke ich bereits auf jede Menge neue Erfahrungen zurück und weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Die deutsche Zeitung mit dem Namen „Aktuelle Rundschau“ ist in einer der besseren Gegenden der Stadt in einem kleinen Haus untergebracht. Beim Betreten des Hauses stolpert man nahezu über den Schreibtisch der Empfangsdame, direkt gefolgt vom Schreibtisch des Chefs, der nur durch ein Bücherregal abgetrennt ist und unter die Treppe gequetscht wurde. Für deutsche Verhältnisse platzmäßig etwas begrenzt, teilen sich gleich um die Ecke 8 Leute ein Bürozimmer, so dass ein Computer direkt neben dem nächsten steht.

Die Kaffeemaschine hat bei dieser fantastischen Platzausnützung natürlich drinnen keinen Platz mehr gefunden und steht draußen auf dem Hof, direkt neben dem Auto des Chefs. Ein Telefon ist auch nicht für jeden verfügbar, sondern ein gemeinsamer Apparat ist in der Mitte des Raumes an der Wand angebracht. Hier bekommt Gruppenarbeit eine ganz neue Bedeutung!

Die Zeitung, die zweimal im Monat erscheint, wird hauptsächlich von den vielen in Paraguay lebenden Deutschen bezogen und hat sich zudem nicht nur auf Neuigkeiten spezialisiert, sondern liefert alle möglichen anderen Arten von Service, die man sich als Deutscher in Paraguay so wünschen kann, wie einen Postservice nach Deutschland, Verleih von deutschen DVDs, Zeitschriften und Büchern und anderen deutschen Annehmlichkeiten. Mittagessen gibt es gleich um die Ecke in einem Kaufhaus, wo man für Mensapreise fantastisches Essen bekommt. Für nicht einmal zwei Euro kann man hier schlemmen ohne Ende. Bezahlt wird in Guarani, einer Währung, die mich irgendwie an die italienischen Lire erinnert. 1 Million Guarani sind ungefähr 140 Euro. Nach dieser Rechnung bin ich also mehrfacher Millionär, was mir eigentlich sehr gut gefällt. Zudem bekommt man für 1000 Guarani ungefähr so viel wie in Deutschland für einen Euro. Nur mit dem Unterschied, dass man gerade mal 15 Cent ausgegeben hat. Das Problem mit der Währung ist nur, dass der Geldbeutel ständig vor lauter Scheinen überquillt und man sich trotzdem so fühlt, wie wenn man viel Geld ausgibt, weil immer sehr hohe Beträge, die man nur anhand der vielen Nullen auseinander halten kann, über die Theke gehen.

Arbeitstechnisch wurde alles erst mal recht tranquilo (langsam, gemütlich im deutschen Sinne) angegangen und meine erste Aufgabe bestand darin, einem anderen Deutschen, der gerade erst angekommen war, unsere Unterkunft und die Stadt zu zeigen. Mit meinen ganzen 2 Tagen Vorsprung war mir das schon ein leichtes

Gleich am nächsten Tag wollte Thomas (der großartige Mensch, der mir dieses Praktikum ermöglicht hat) mich dem Direktor des Mercosur Gerichts vorstellen, der bei unserem ersten Besuch erst mal durch Abwesenheit glänzte. Wenige Stunden später saßen wir dann doch in seinem Büro und klärten die Formalitäten, um anschließend noch über Gott und die Welt zu plaudern. Thomas lebt schon seit über drei Jahren hier und ist davon überzeugt, dass man hier gar nicht spanisch sprechen lernen muss, wenn man sich im deutschen Umfeld bewegt und es versteht sich mit Mimik und Gestik auszudrücken. So saßen wir beiden dann Grimassen schneidend und wild fuchtelnd gegenüber von Señor LLanes, der sehr amüsiert über unsere Bemühungen war! Ich war sehr erfreut und überrascht darüber, dass sich der Direktor so viel Zeit für uns nahm und ausgiebig und mit aller Ruhe der Welt auf Spanisch sehr viele Geschichten zum Besten gab, die mas o menos (mehr oder weniger) von Thomas und mir verstanden, aber immer mit einem nickenden Grinsen quittiert wurden. Anschließend war es auch fast schon an der Zeit sich für den Abend zu richten, bevor Thomas mit dem Motorrad wieder vor meiner Tür stand. Wir waren schließlich in die Deutsche Botschaft eingeladen, um über die Feier aus Anlass der deutschen Wiedervereinigung zu berichten.

Vor der privaten Residenz des deutschen Botschafters wartete zusammen mit mir eine lange, bunt gekleidete Schlange von über 600 geladenen Gästen darauf. Begrüßt wurden wir von einer aus 6 Personen bestehenden Reihe Händeschüttelnder Persönlichkeiten der deutschen Botschaft, die nach Wichtigkeit und Rang sortiert waren.









Aus der Kühle der klimatisierten Empfangshalle wurden die Gäste nach dieser routineartigen maschinell anmutenden Geste, die die Höflichkeit gebietet, direkt in die drückende Hitze des Gartens entlassen. Gegen 19 Uhr abends betrug diese immer noch satte 32 Grad Celsius. Eingezwängt in Krawattenknoten und enge, teilweise sehr aufwändige Abendkleider, wartete die Gesellschaft direkt neben dem kühlen und einladenden Nass des Pools, der leider ausschließlich Dekorationszwecken diente. Berieselt wurde die Menge von den zarten Klängen eines Streichquartetts und einen Vorgeschmack auf das Buffet boten die dekorativ angerichteten Häppchen. Thomas stellte mich dort unterschiedlichen Persönlichkeiten vor. Nur beim paraguayischen Innenminister erwähnte er leider den Namen und Titel erst nachdem ich diesen politisch gewichtigen Mann geduzt und ihn mit meinem schlechten Spanisch einige Minuten gequält hatte. Das demotivierte mich jedoch in keinster Weise, genauso wenig, wie die völlig aufgeblasene Art des Amerikanischen Botschafters, der stark schwitzend nicht mal versuchte vorzutäuschen, irgendein Interesse an einem Gespräch mit mir zu haben. Auch mein Chef aus dem Mercosur Gericht durfte bei einem Event wie diesem natürlich nicht fehlen.











Auffällig waren, trotz der Hitze, der entspannte Gesichtsausdruck und die gesund aussehende leichte Bräune der im Exil lebenden Deutschen, die der stressigen Geschäftigkeit Deutschlands für eine Lektion in Sachen „tranquilo“ entwichen waren. Ins Auge stach auch die hohe Anzahl an älteren Herren, die sich, zusätzlich zu ihrer sehr stilvollen Kleidung, mit überaus hübschen, wundervoll lächelnden Frauen zierten.

Unter mit Girlanden in Farbe der deutschen Flagge verzierten Pavillons, war das reichhaltige internationale Buffet aufgebaut, das wirklich keinerlei Wünsche offen ließ. Abgelenkt durch die vielen Köstlichkeiten wurde meist schnell ein Grund gefunden, die hauptsächlich auf Deutsch geführten Gespräche auf ein Minimum zu begrenzen. Nachdem das Buffet ausreichend geplündert wurde, war die Menschenmasse, genauso schnell wie sie gekommen war, noch vor 22 Uhr, wieder verschwunden. Auch ich war nach den vielen Gesprächen glücklich wieder daheim anzukommen und musste vor dem schlafen gehen nur noch die vielen Visitenkarten sortieren, damit ich nicht den Überblick verliere.

Mein erster Tag beim Mercosur Gericht war überaus interessant und ermöglichte tiefe Einblicke in das paraguayische Arbeitsleben. Nachdem ich mit dem Direktor erst mal eine Stunde Kaffee getrunken und geplauscht hatte, rief er sein komplettes Personal in sein Büro. Feierlich verlas er dort, vor versammelter Mannschaft, meinen Lebenslauf und verpasste keine Gelegenheit um mich und meine Fähigkeiten über den grünen Klee zu loben. Ich wusste schon gar nicht mehr, was ich sagen sollte und war eigentlich recht froh, als ich von einer der Angestellten zu meinem Schreibtisch gebracht wurde. Bisher hatte keiner erwähnt, was eigentlich genau meine Aufgabe sein sollte und so setzte ich mich erst mal geduldig an einen kargen Holztisch, auf dem sich ausschließlich ein Telefon befand.











Bei einem Blick durch den Raum fiel mir dann doch auf, dass auch auf den anderen Schreibtischen einige Arbeitsutensilien, wie zum Beispiel Computer oder andere technische Geräte abgesehen vom Telefon komplett fehlten. Im Nebenraum entdeckte ich schließlich doch einen einzigen Computer, der jedoch zweckentfremdet als MP3 Player verwendet wurde. Eine Angestellte erklärte mir, dass auch im Außenministerium den 10 Angestellten lediglich 2 Computer zur Verfügung stehen. Zusammen mit den anderen Angestellten (5 an der Zahl), saß ich dann also die Zeit bis um 12 Uhr ab und ließ mir immer wieder versichern, dass das alles anders wäre wenn in Asunción Treffen mit den anderen Ländern des Mercosur stattfanden- ganze 2 Mal im Monat also! Sehr amüsiert traf ich dann am Mittag bei der Aktuellen Rundschau ein und war dann doch sehr froh, dass dort wenigstens wirkliche und nicht nur fiktive Arbeit auf mich wartete. In die Redaktion wurde ich eigentlich sofort eingebunden und in der nächsten Ausgabe werden gleich drei meiner Artikel zu lesen sein. Der Heimweg gestaltete sich diesmal etwas länger, weil ich mich darauf verließ, dass ein Bus auf dem meine Straße draufsteht auch in meine Straße fährt. Nach über einer Stunde Fahrt fragte ich dann doch einmal nach und stellte fest, dass ich mich schon gar nicht mehr in Asunción befand. Insgesamt dauerte mein Heimweg an diesem Tag ganze drei Stunden. Am Tag zuvor hatte ich auch schon länger als üblich für den Heimweg gebraucht, weil ein Strommast vor uns auf die Straße fiel und die Stromleitung Funken schlagend über den Asphalt sprang. Sie erwischte glücklicherweise nur den Laster vor uns, jedoch wollte unser Fahrer tatsächlich einfach über durch den Funkenregen fahren. Bevor ich mich mit einem Sprung aus dem Bus retten konnte, hatte einer der Mitfahrer mit lautem unverständlichem Gebrüll den Fahrer doch zum Stoppen veranlassen können. Mich wundert mittlerweile nicht mehr viel muss ich sagen. Ich hätte nur sehr gerne verstanden was sich die beiden Männer in ihrer anschließenden verbalen Auseinandersetzung, die schließlich in Handgreiflichkeiten mündete so an den Kopf warfen.

Der nächste Tag begann um 4 Uhr morgens als Thomas und ich aufbrachen um Käsereien im ganzen Land zu besuchen. Schnell stellte ich fest, dass dieser Job bei der Zeitung eigentlich der beste Weg ist um Land, Leute und Essen kennen zu lernen. Die erste Käserei an der brasilianischen Grenze operierte definitiv nach paraguayischen Standards und ließ keine Zweifel daran, dass wir uns nicht in Europa befanden.












Hingebungsvoll ließen wir uns keine einzige der unterschiedlichen Käsesorten, die von Roquefort über Tete de Moine bis hin zum Sprinzkäse reichte, entgehen. Schon interessant, das gleich mehrere Franzosen und Schweizer auf die Idee gekommen sind, ihre Käsekunst in Paraguay auszuüben! Überraschenderweise ist auch der Geschmack des Käses hier um einiges intensiver, weil keinerlei absurde EU-Hygienevorschriften die Käsequalität einschränken und hier die nötigen Bakterienkulturen einfach Bakterien sein dürfen. Zusätzlich stammt die Milch tatsächlich nur aus biologischem naturnahem Anbau, weil man hier gar nicht viel anderes kennt.


































Die Einblicke, die ich in das Leben der paraguayanischen Landwirte und Käsemacher erhalten habe, waren auf jeden Fall sehr interessant. Es gibt außerdem nichts genüßlicheres als im Land rumgefahrenn zu werden und das ganze dann auch noch als Arbeit zu bezeichnen.


Heute behielt Thomas auf jeden Fall recht, dass wir im Gegensatz zu den paraguayischen Journalisten sprachlich gesehen sogar einen Vorteil hatten, bei den Schweizer Käsemeistern. Total voll gestopft bis oben hin mit Käse, lag ich dann schon abends um 20 Uhr im Bett.





Aufgrund der Klimaanlagen, die die Raumtemperatur auf Kühlschrankniveau runterkühlen, während draußen an die 40 Grad herrschen, habe ich mir gleich in der ersten Woche eine fette Erkältung eingeholt. Nichts desto trotz konnte ich es am Samstag nicht lassen mit dem Mitpraktikanten, der im Zimmer gleich gegenüber wohnt, den Mercado Quadro zu besuchen.

Abgeschirmt von Sonnenlicht mit zusammengestückelten Plastikfolien taucht man direkt in ein wildes Gewirr an Strassen und Gässchen ein, wo wirklich alles Erdenkliche zum Verkauf angeboten wird und die Gerüche sich zu einem kaum mehr annehmbaren Gemisch aus allem möglichen zusammenfügen.











Mit offenem Mund liefen Filzbeutel-Thomas (ich musste einen Namenszusatz für einen der beiden Thomase finden, um sie unterscheiden zu können! Erkennungsmerkmal von meinem Mitpraktikanten ist definitiv sein ständiger Begleiter, die filzige Männerhandtasche, die aussieht wie selber hergestellt) staunend vorbei an Sportschuhimitaten, Lebensmitteln, glitzerndem Plastikspielzeug, komischen Anziehsachen in schillernden Farben und allem möglichen anderen von dem man wirklich nichts kaufen wollte. Teils aus hygienischen, teils aus visuellen bzw. geschmacklichen Gründen. Immer wieder fiel unser Blick auf schlafende Menschen, die inmitten von Müllbergen oder zwischen zwei Ständen eingequetscht ihre Siesta hielten oder einfach mal recht gemütlich die Kilo an Dreck unter ihren Fingernägeln hervorholten. Bei dem Besuch dieses Stadtviertels musste ich ständig an die Worte meiner Mutter denken, die nach eingehender Inspizierung der im Internet verfügbaren Fotografien über Asunción meinte, dass das eine wirklich schön saubere und ordentliche Stadt sei.









So viel Dreck, wie in dieser Stadt, habe ich eigentlich noch nie in meinem Leben an einem Ort komprimiert gesehen, muss ich sagen. Eine Dusche ist hier auch mindestens jeden Tag einmal fällig, weil man sonst recht schnell die gleiche dunklere Färbung, wie die der Einheimischen an sich haften hat.

Schwierig gestaltet es sich auch manchmal, etwas zum Essen zu finden. Recht hungrig liefen Filzbeutel-Thomas und ich durch dieses Labyrinth an Essenständen, bevor wir einen Ausgang auf eine normale Straße fanden, um dort ein sauberes Restaurant betreten zu können. Als taktisch klug erweist es sich auch meist, erst mal den Laden und vor allem die Kundschaft zu beobachten, bevor man sich dann eine der Leckereien bestellt. Die Empanadas sind aber dann meist unschlagbar im Geschmack und definitiv zu empfehlen! Aufgrund meines Schnupfens fiel leider die Abendplanung etwas karg aus.