Montag, 15. Oktober 2007

Wochenrückblick 14.10.2007

Etwas müde von der letzten Nacht versuche ich gerade Revue passieren zu lassen, was sich alles diese Woche ereignet hat. Eigentlich ist vieles davon nicht gerade spektakulär. Meine Hauptaufgabe für die Woche war die Organisation eines Handys. Da ich mich mit sehr gebrochenem und grammatikalisch völlig inkorrektem Spanisch mittlerweile verständigen kann, fand ich, es wäre an der Zeit, ein Gespräch mit den Handyvertreibern zu führen. Hat auch zuerst alles wunderbar geklappt: Neue Chipkarte im Handy und wenn ich die Dame richtig verstanden habe, dann hätte das Handy gleich am nächsten Tag funktionieren sollen. War aber natürlich nicht so! Mitte der Woche stellte ich dann fest, dass mein Handy sich nicht in dieses Netz einwählen kann (nach unzähligen Gesprächen mit unzähligen unterschiedlichen Leuten) und Ende der Woche hatte ich dann endlich in Begleitung eines Einheimischen doch einen anderen Provider gefunden, den mein Handy akzeptiert.EINE WOCHE habe ich als Kommunikations- Junkie gebraucht, um endlich nach über einem Monat der Sendepause wieder stolzer Besitzer eines Handys zu sein!

Die korrekte, formelle Beantragung meines Praktikumsplatzes beim Mercosur-Gericht zog sich ebenso über die ganze Woche hin. Mit einem auf spanisch verfassten Bewerbungsschreiben an den Direktor des Mercosur-Gerichts und meinen Lebenslauf wurde ich in die Deutsche Botschaft geschickt, die meine Bewerbung mit einem Begleitschreiben versehen sollten. Zum Glück habe ich dank der Botschaftsparty recht gute Kontakte zur Botschaft und das alles war kein Problem. Anschließend hat der Direktor des Mercosur-Gerichts ein Begleitschreiben verfasst, das an das Außenministerium gerichtet war. Ich hatte so das Gefühl, dass das komplette Büro eigentlich recht glücklich darüber war, endlich einen Vorgang zur Bearbeitung vorliegen zu haben. In geschwollenem Spanisch wurde seitenlang verfasst, warum es eine dringende Notwendigkeit darstellt, dass ich ein Praktikum beim Mercosur mache. Das komplette Büro und ich sind dann mit dem Stapel an Papieren ins Außenministerium gefahren. Natürlich wurden auf dem Weg noch ein paar der persönlichen Besorgungen der Mitfahrenden erledigt, so dass sich das ganze unendlich in die Länge zog. So ganz nachvollziehen konnte ich nicht genau was anschließend im Außenministerium genau geschah. Auf jeden Fall sind wir von Raum zu Raum gelaufen und haben irgendwelche Leute neue Schreiben verfassen lassen oder von uns verfasste Schreiben wurden mit einem Stempel versehen. Irgendwann hat auch keiner mehr gefragt, wieso er eigentlich einen Stempel auf ein Papier macht. Dies gehört hier wohl irgendwie zum üblichen Prozess und läuft neben den privaten Gesprächen, die in den Büros eigentlich nicht für die Arbeit unterbrochen werden. Fazit unseres Ausfluges war dann, dass irgendjemand im Urlaub ist, der auch noch einen Stempel machen muss. Somit fehlt mir weiterhin die offizielle Erlaubnis ein Praktikum ab dem 1. Oktober begonnen haben zu dürfen. Alles in allem ein langwieriger Vorgang dafür, dass ich an einem Holztisch sitzen und nichts machen darf. Aber was tut man nicht alles für seinen Lebenslauf.

In dieser Woche habe ich auch meine Vorliebe für Dinge aus Leder entdeckt. Um diese neue Sucht ausgiebig ausleben zu können, wurde ich von der Redaktion nach Atyra geschickt, um eine Reportage über die Lederverarbeitung dort zu machen. Als ich beim Mercosur-Gericht erwähnte, dass ich alleine dorthin gehen wollte, waren alle sehr beunruhigt, da ich als Mädchen unmöglich alleine so lange Bus fahren könne. Fazit war, dass der Chef einen seiner Mitarbeiter anwies, mich dorthin zu begleiten und den gesamten Tag über auf mich aufzupassen. Genau das hat dieser über alle Maße höfliche Mensch dann auch gemacht und mich den ganzen Tag nach allen Regeln der Kunst bemuttert und mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Der Höflichkeit halber musste ich immer vor ihm laufen, was ganz schön anstrengend sein kann, wenn er viel besser weiß wo wir hin müssen! Die Konversation fand ausschließlich auf Spanisch statt, was nicht gerade dazu beigetragen hat, dass ein Gespräch auf hohem Niveau stattfand! Ich hab irgendwann angefangen ihm die Geschichte vom Rotkäppchen zu erzählen, weil wir die nun mal gerade im Spanischunterricht durchgenommen hatten! So viel zu meinem momentanen Sprachlevel!











Wir sind ungefähr 2 Stunden in einem der üblichen Ohrenbetäubend lauten Busse mit harten Holzsitzen ins Inland gefahren. Streckenweise waren die typischen roten Feldwege so uneben, dass der Bus mehr holperte als fuhr. Natürlich wie immer in nahezu ungezügelter Geschwindigkeit. Hatte ich eigentlich erwähnt, dass es letzte Woche einen der Busse aus der Kurve geworfen hat und er auf der Seite liegend zum Stehen kam?

Landesweit ist die Stadt Atyra als die sauberste Stadt von Paraguay bekannt. Ihre ungefähr 16 000 Einwohner leben vor allem von den Lederarbeiten, Holzschnitzereinen und vom Tourismus. Die Lederproduktion hier ist noch zu nahezu 100 Prozent Handarbiet und kann von der ersten Bearbeitung der noch haarigen Häuge bis hin zur fertigen Handtasche verfolgt werden.


















In Atyra selbst war ich dann sehr froh, dass Roberto mit dabei war, weil ich natürlich nicht wirklich in der Lage war, die Leute auf Spanisch zu interviewen. Er schien auch sehr viel Spaß bei der Besichtigung der ihm auch noch unbekannten Stadt zu haben!










Mit meiner üblichen dezenten Selbstüberschätzung hatte ich das natürlich vorher nicht vermuten können. Er hat sich wundervoll mit den Leuten unterhalten und ich muss jetzt nur noch einen Artikel darüber schreiben, was ich denke verstanden zu haben. Fehlende Informationen werde ich hoffentlich durch das gute Wikipedia auszugleichen können. Und die Bilder sprechen eigentlich auch für sich!






















Falls übrigens Interesse an einer in stundelanger Handarbeit verzierten echten Ledertasche für ungefähr 20 Euro besteht, die von dem netten Mann auf den Bildern bearbeitet wurde, bin ich gerne bereit diese nach Deutschland zu verschicken!










Die dazu passende protzige Einrichtung komplett in Leder, kann bei ihm natürlich auch bei ihm erworben werden.









Ein besonderes Highlight dieser Woche war eindeutig ein Zahnbürsteverkäufer, der im Bus sehr gekonnt und sprachlich sehr versiert seine Zahnbürsten anpries.












Man hätte ihm ohne weiteres einen Job auf einem Homeshopping Kanal anbieten können, gerade weil er sich doch sehr von den üblichen tausenden Verkäufern abhob, die meist sehr einfallslos Früchte, Getränke, Kaugummis, Nagelscheren, Fächer, Lose, Zeitungen oder was auch immer in den Bussen verkaufen. Besonders süß war ein wirklich sehr junger Verkäufer, der mir stolz erzählte, dass er am Tag ungefähr 30 Euro verdient, bevor er dann abends in die Schule geht.










Ich hatte mir für diese Woche fest vorgenommen, schon allein der Erfahrung zu Liebe, mit einem Paraguayer auszugehen. Dies erwies sich als gar nicht so einfach, weil in dem deutschen Netzwerk in dem ich mich meist befinde sehr wenig Paraguayer anzutreffen sind. Diejenigen, die mir auf der Straße „Madre de Dios“ oder ähnliche Dinge hinterher rufen oder komische „Mieze komm mal her Geräusche“ machen, hatte ich bisher als potentielle Dates auch eher ausgeschlossen. Deswegen war für mich wohl die Entscheidung online nach einem Date zu suchen nicht unbedingt so abwegig, weil da ja immerhin die Möglichkeit besteht nach bestimmten Suchkriterien eine gewissen Vorauswahl zu treffen. In die nähere Auswahl kamen bei MySpace dann auch gleich 5 Jungs, denen ich eine Mail schrieb! Schon am nächsten Tag wartete ich sehr gespannt vor einer Bar in der Stadt auf einen jungen Mann mit dem poetischen Namen Pedro der Tapfere! Mit einer bewusst inszenierten kleinen Verspätung tauchte ein riesiger schwarzer Monstertruck vor der Bar auf, aus dem hoch über dem Asphalt meine gutaussehende tapfere Begleitung für den Abend grinste. Die Frage was mit der Größe des Autos überspielt werden sollte stellte ich mir nicht mehr, als geschätzte 1,75 Meter aus dem Auto sprangen. In der Bar erregten mein recht gut gebauter Prinz für den Abend und ich einiges an Aufmerksamkeit. Die Kellnerin versuchte überhaupt erst gar nicht zu vertuschen, dass sie uns unverholen anstarrte. Etwas unangenehm war das für uns vor allem, weil sie nur durch die Bar und ungefähr einen halben Meter Abstand von uns getrennt war. Nachdem sie nach ungefähr einer halben Stunde ihren Mund endlich wieder geschlossen hatte, sagte sie schüchtern zu Boden blickend, dass sie mich sehr schön findet und dass wir ein perfektes Pärchen abgeben würden. In dieser Situation lag es mal nicht unbedingt an meinem Spanisch, dass ich etwas sprachlos war. Krass war auch was passierte, als meine Abendbegleitung mal kurz für kleine Königstiger musste. Tapfer und bestimmt musste er sich anschließend durch die Traube an komischen Gestalten um mich rum kämpfen, um den Barhocker neben mir wieder einnehmen bzw. erklimmen zu können! Mein blondes Haar erweist sich hier als absoluter Publikumsmagnet und ich glaube, dass den wenigsten irgendetwas abgesehen von den Haaren auffällt! Traurig gemacht hat mich die Bedienung, die mit ihren Anfang 20 das Schicksal für sich gewählt hat, mit dem dicken, alten, hässlichen Besitzer der Bar zusammen zu sein. Pedro meinte, dass dies nicht gerade unüblich sei, weil vielen Menschen hier komplett die Mittel fehlen, um anders der Armut zu entgehen.

Für den nächsten Abend stand paraguayisches Oktoberfest auf dem Programm. Leider spielte das Wetter nicht wirklich mit und statt der erhofften 5000 Leute waren gerade mal 1500 bereit dem Leberkäse (Hamburger alemana)und Kartoffelsalat (Salada alemania) in Kombination mit paraguayischem Bier eine Chance zu geben. Filzbeutel-Thomas und ich wollten das Spaßige mit der Arbeit verbinden und standen mit einem Bier in der einen und dem Schreibblock in der anderen Hand auf dieser Festivität. Die Dame, die den ersten Preis bei dem Outfit-Contest gewonnen hat, habe ich natürlich festgehalten.









Mein mutiger Gentleman von gestern hatte es sich auch heute zur Aufgabe gemacht, nicht von meiner Seite zu weichen, was partiell glaube ich ziemlich langweilig für ihn war. Höflich grinsend stand er neben uns, während wir die Deutschsprechenden Verantwortlichen der Party interviewten. Geduld ist definitiv eine der Eigenschaften, die er an diesem Abend bewies, obwohl er irgendwann doch mit Nachdruck darauf bestand, mir noch ein paar schöne Bars in der Stadt zeigen zu wollen. Hoch über dem Asphalt genoss ich später dann in seinem Truck den ungewohnten Anblick der Stadt von oben, der auch mir meist vorenthalten bleibt. So erfuhr ich dann gegen später auch, dass er zusammen mit seinem Vater Besitzer von zwei sehr teuren und bekannten Restaurants in Asuncion ist. Spätestens an den gigantischen Dimensionen der Villa in der er lebt, konnte ich ihn eindeutig der kleinen überaus wohlhabenden Schicht in Paraguay zuordnen. Sein perfektes Englisch und die Art, wie er mit meinen Bekannten aus der Botschaft kommunizierte, hatte das aber schon früher erahnen lassen. Da soll noch mal jemand was gegen das Online- Dating sagen! Leider habe ich trotzdem meine Mission mit einem Paraguayer auszugehen nicht erfüllen können, weil Pedro leider eine Mischung aus Brasilianer und Amerikaner ist und überhaupt nicht exemplarisch ist für Paraguay. Vamos a ver si el sigue aparecer en mi blog!

Weitere Fragen die für diese Woche unbeantwortet bleiben sind:

Warum sind so viele Toiletten hier eine absolute Zumutung?





















Wie kann ein Bürgersteig aussehen, wie wenn jemand rein gebissen hätte?




















Warum fällt beim Tanzen die Vase nicht auf den Boden?














Wie hat man diese ambitionierte Dame dazu bekommen sich so für diesen Mann einzusetzen, der im nächsten Jahr Präsident werden will?


















Und wer möchte stolzer Besitzer dieser wundervollen Handtasche werden?